Zeitzeichen

Die Zeit, dieses besondere Wesen, begleitet uns ein Leben lang. Wie ein Fluss fliesst sie dahin. Immer vorwärts! Ein Zurück in die Vergangenheit gibt es nicht. Was vorbei ist, ist vorbei. Seit der Mensch denken kann, will er eine Antwort auf die Frage: «Wie spät ist es?»

Wenn ich daran denke, dass vor Einführung der Eisenbahn im Rhonetal, die Mittagszeit zwischen Brig und Sitten um ca. 25 Minuten von einander abwichen. Wenn die Sonne am höchsten steht ist Mittag. In Sitten wurde deshalb fünfundzwanzig Minuten später zu Mittag gegessen als in Brig.

Steigt da nicht das Gefühl hoch, dass zur damaligen Zeit die Pünktlichkeit kaum mit dem heutigen Verständnis im genauen Umgehen mit Terminen vereinbar war? Der Stand der Sonne genügte, um die Menschen zeitlich auf dem Laufenden zu halten.

Heute, ungefähr 170 Jahre, oder 7 Generationen später, ist die Uhrzeit omnipräsent. Auf Millisekunden genau ist überall und jederzeit die gültige Zeit verfügbar. Nicht nur im Bahnhof, überall in der Öffentlichkeit besteht die Möglichkeit, über die Zeit informiert zu werden. Wir sind von Zeitmessern nur so umgeben. Im Supermarkt, beim Fotokopieren, in jedem Restaurant, beim Tierarzt; nichts wie Uhren auf Schritt und Tritt. Jeder Mann und jede Frau trägt heute mehr als nur eine Zeitanzeige auf sich. Am Smartphone, am Armband, als Schrittezähler in der Tasche, auf dem Laptop.

Wie einfach war das doch damals, als weder von Digitalisierung noch von Terminen die Rede war. Jedes Dorf und jedes grössere Quartier hatten ihre Kirche mit ihrem Turm. Damit ihre gültige Zeitanzeige. Heute sind wir nicht nur von Zeitmessern überschwemmt, sie werden auch noch mit Funk auf Genauigkeit gehalten, elektrisch angetrieben und sind fantastisch genau.

Während des Zweiten Weltkriegs war das noch nicht so. Die Turmuhr war immer die gültige Uhr für die Öffentlichkeit. Jeder erwachsene Bürger hatte darüber hinaus eine eigene, mechanische Uhr. Entweder als Taschenuhr oder als Armbanduhr. Keine Präzisionsgeräte, aber doch genau genug für den Tagesgebrauch. Pro Tag gingen sie meisten 2 – 3 Minuten vor oder nach. Es genügte nicht einfach eine Uhr zu besitzen. Diese wollte täglich gewartet, gepflegt sein. Sie musste aufgezogen werden. Das war ein wichtiges Ritual. Es fand meistens abends vor dem Schlafengehen, auf dem Bettrand sitzend, statt. War sie aufgezogen, wurde sie sorgfältig aufs Nachttischchen gelegt, bevor dort die Kerze ausgeblasen und unter die Decke gekrochen wurde. Die Uhr konnte so ihre Arbeit fortsetzen. Doch es war ein zweiter Wartungsakt von Nöten. Die Uhr musste kalibriert, gerichtet, auf die genaue Tageszeit eingestellt werden. Da kommt das Zeitzeichen ins Spiel.

Jeden Tag der selbe Kult. Die ganze Familie sitzt ab Viertel nach Zwölf im Esszimmer am Mittagstisch. Radio Beromünster strahlt lüpfige Musik aus. Alle löffeln, gemütlich plaudernd, ihre Suppe.

Präzis um halb eins ertönt aus dem Lautsprecher das Zeitzeichen. Eine Folge von zwei lange Pfeiftönen, gefolgt von drei kurzen, zum Schluss, eine Oktav höher, der Schlusspiep: Zwölf Uhr dreissig! Wie auf Befehl zücken alle Anwesende ihre Taschen- oder Armbanduhren und eichen sie auf 12:30. Ein sich täglich wiederholender Brauch, welcher unter absolutes Silentium abläuft.

Es kommt noch schlimmer!

Aus dem Empfänger meldet sich der Nachrichtensprecher: «Nach dem Zeitzeichen aus dem Observatorium von Neuenburg auf zwölf Uhr dreissig, folgen die neuesten Nachrichten der Schweizerischen Depeschenagentur».

Absolut stillschweigend und mit wachsender Konzentration werden die Meldungen entgegengenommen. Damit ja kein Wort verloren geht, wird sogar das Geklapper des Essbestecks auf ein Minimum reduziert. Nicht einmal der Wein wird während der Nachrichtensendung nachgeschenkt.

Auch ich war Opfer dieser Schweigeperiode. Mit meinen elf Jahren hörte ich zwar die Botschaften, verstand aber kein Wort davon. Wie ich diese 15 Minuten hasste. Die Wetterprognose kam zum Schluss. Kurz und bündig. «Wechselnd bewölkt, zeitweise bedeckt, ab und zu örtliche Schauer. In Gewitternähe Böen.»

Tag für Tag, werktags und sonntags waren die Nachrichten um halb eins ein Muss. Ein Gottesdienst der Genauigkeit. Bis ich mich eines samstags erdreiste, eine verfängliche Frage zu stellen:

«Tante Grety, was war nun heute die wichtigste Nachricht?»

Fast erschrocken, mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich vorwurfsvoll an, ohne eine Antwort zu geben.

Bei diesem ganzen schweigsamen Aufpassen, ging es offenbar gar nicht darum sich ein Bild von der Weltlage zu machen. Es ging um eine einzige sehnliche Erwartung. Die Meldung des Kriegsendes.

Die Nachrichten des SDA wurden während des Weltkrieges eingeführt. Ich hoffte fest, dass sie in Friedenszeiten wieder abgeschafft würden. Welch ein Irrtum!

Heute im tiefsten Frieden werden wir lawinenartig mit Nachrichten zugedeckt. 24 Stunden im Tag, sieben Tage die Woche.

Zwanzig Sekunden nachdem der Vulkan Sinabungin in Indonesien ausgebrochen ist, wissen wir in Europa davon. So wie der Rhein ständig Wasser aus den Bergen herbeibringt, fliesst ein ununterbrochener Nachrichtenstrom an uns vorbei. Und die Zeit ist ihr ständiger Begleiter. Mit einer Genauigkeit von Abweichungen im Nanosekundenbereich.

In der Mitte des letzten Jahrhunderts genügten uns 15 Minuten Nachrichten pro Tag und eine Ganggenauigkeit der Uhr von einigen Minuten, um den Alltag zu meistern.

Tante Grety lebt heute nicht mehr. Ich kann sie leider nicht fragen, was heute wohl die wichtigste Nachricht gewesen wäre.

 

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Signal horaire

Le temps, ce phénomène particulier, nous accompagne pendant toute la vie. Il s’écoule comme une rivière. Toujours vers l’avant! Un retour dans le passé n’existe pas. Ce qui est passé est passé. Depuis que l’humain est capable de raisonner, il cherche la réponse à la question “Quelle heure est-il?”

Cela me rappelle qu’avant l’arrivée du chemin de fer dans la vallée du Rhône, l’heure de midi différait d’environ 25 minutes entre Brigue et Sion. Il est midi quand le soleil est à sa hauteur maximale. A Sion on prenait donc le déjeuner vingt-cinq minutes plus tard qu’à Brigue.
N’avons-nous pas l’impression que dans ces temps-là la notion de ponctualité n’était pas la même que celle que nous pratiquons de nos jours? La position du soleil suffisait pour tenir les humains au courant de l’heure actuelle.
Aujourd’hui, environ 170 ans ou 5 générations plus tard, l’heure du jour est omniprésente. L’heure précise à la milliseconde près est disponible partout et à tout moment. Non seulement dans les gares, mais partout on peut s’informer sur l’heure. Nous sommes entourés d’horloges. Au supermarché, devant la photocopieuse, dans chaque restaurant, chez le vétérinaire – partout i y a des montres. Tout homme et toute femme portent de nos jours plus qu’une seule indication de l’heure. Sur le téléphone portable, au bracelet, au compteur de pas dans la poche, sur le laptop.
Combien c’était facile dans le temps, quand on ne parlait pas de digitalisation ni d’échéances. Chaque village ou quartier important avait son église avec sa tour. Et par conséquence l’heure officielle. Aujourd’hui nous ne sommes pas seulement inondés par des montres, mais elles sont entraînées électriquement et leur précision est maintenue par transmission radio et d’une exactitude fantastique.
Pendant la deuxième guerre mondiale ce n’était pas encore le cas. L’horloge de la tour fut toujours la montre officielle du public. De plus, chaque bourgeois adulte possédait sa propre montre méc- anique. Soit comme montre à gousset ou à bracelet. Pas d’appareils de précision, mais suffisamment exacts pour l’usage quotidien. La plupart étaient en avance ou en retard de 2 – 3 minutes par jour. Il ne suffisait pas de posséder simplement une montre. Elle voulait être soignée et entretenue. Il fallait la remonter. Ce fut un rituel important. Communément il avait lieu le soir avant de se coucher, assis au bord du lit. Une fois remontée, on la posait soigneusement sur la table de chevet avant d’éteindre la bougie et se glisser sous la couette. Ainsi la montre pouvait continuer son travail. Mais une deuxième intervention fut nécessaire. La montre devait être ajustée, réglée sur l’heure exacte du jour. C’est là que le signal horaire joue son rôle.
Chaque jour le même culte. A midi et quart, toute la famille est réunie autour de la table dans la salle à manger pour déjeuner. A la radio, Sottens émet de la musique entraînante. Tout le monde mange sa soupe en bavardant tranquillement.
A douze heures trente précisés, le haut-parleur émet le signal horaire. Une suite de deux sifflements longs, trois courts et finalement, une octave plus haute, le bip final: douze heures et trente minutes! Comme sur commande, tous les présents consultent leurs montres à gousset ou bracelet et l’ajustent sur 12.30. Une coutume quotidienne qui se déroule dans un silence absolu.
Mais il y a pire!
La voix du présentateur annonce par le récepteur: “A douze heures trente, après le signal horaire de l’observatoire de Neuchâtel, suivront les dernières nouvelles de l’Agence télégraphique suisse”.
Les messages sont reçus dans un silence absolu et une concentration croissante. Pour éviter la moindre perte, le bruit des couverts est réduit au minimum. Même le vin n’est pas resservi pendant le bulletin d’information.
Moi aussi j’étais victime de cette période de silence. A mon âge de onze ans j’entendais bien les messages mais n’en comprenais pas le sens. Comme je haïssais ces 15 minutes. Finalement suivirent les prévisions météo. Brèves et concises. “Nuages variables, temporairement couvert, averses locales. Des rafales en proximité d’orages.”
Jour après jour, en semaine et le dimanche, l’écoute des nouvelles fut impérative. Un culte de la précision. Jusqu’au jour où j’avais l’audace de poser une question embarrassante:

“Chère tante Grety, quelle était donc la nouvelle la plus importante aujourd’hui?”

Presque effrayée, les yeux écarquillés, elle me regardait d’un air réprobateur sans donner une réponse.
Toute cette attention silencieuse n’avait apparemment pas le but de se faire une image de la situation mondiale. Il ne s’agissait que d’un seul espoir ardent. Le message signalant la fin de la guerre.
Les nouvelles de la ATS, l’Agence Télégraphique Suisse, ont été créés pendant la guerre mondiale. J’espérais ardemment qu’elles seraient supprimées dès le retour de la paix. Quelle erreur!
Aujourd’hui, dans la paix profonde, nous sommes inondés inexorablement par des nouvelles. Pendant 24 heures par jour et 7 jours par semaine.
Lorsque le volcan Sinabungin en Indonésie fait éruption, nous le savons en Europe 20 secondes plus tard. Tel que le Rhin qui amène son eau en permanence depuis les montagnes, un courant ininterrompu de nouvelles s’écoule devant nous. Et le temps l’accompagne constamment. Avec un écart de quelques nanosecondes.
Au milieu du dernier siècle, 15 minutes de nouvelles par jour et une précision des montres de quelques minutes nous suffisaient pour maîtriser le quotidien.
Ma tante Grety n’est plus. Malheureusement je ne peux plus lui demander quelle était la nouvelle la plus importante aujourd’hui.

 

 

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