Schelmenturm

So nennt die Bevölkerung das Schloss Leuk. Jene Zitadelle, welche dem Wanderer im Rhonetal signalisiert: «Hier am Südhang liegt, als das Oberwallis noch eine echte Republik war, die dritte wichtigste Stadt neben Brig und Sitten.»
Meine erste Bekanntschaft mit der trutzigen Burg liegt Jahre zurück, mitten im zweiten Weltkrieg. Meine Familie lebte damals in Leuk. Mit Raphael und Paul durchstreunte ich regelmässig die Burgschaft. Es herrschte Krieg. Im ganzen Städtchen waren Soldaten präsent. In unserem Haus war sogar ein Kompagniebüro eingerichtet. Drei Zimmer im ersten Stock hatten dafür herhalten müssen. Paul wusste, dass oben auf dem Schlossturm eine wichtige Zentrale für die Fliegertruppen eingerichtet war. Die sollten wir doch einmal besuchen. Ob das erlaubt war, wussten wir nicht. Paul, der Mutigste von uns drei, ging voraus, die baufällige Wendeltreppe zu erklimmen. Oben angekommen, wurde er fröhlich empfangen. Raphael und ich hatten den oberen Teil der Treppe noch nicht erreicht. Wir trauten unseren Ohren nicht. Es erklangen Frauenstimmen. Frauen als Soldaten, das gibt es doch nicht. Auch wir zwei Nachzügler wurden lachend begrüsst. Junge Frauen in blauen Uniformen taten hier ihren Dienst. In der östlichen Ecke der Terrasse brannte ein offenes Feuer. An einem improvisierten Dreibein hing eine Gamelle, in der Wasser kochte. Wir wurden zum Tee empfangen. Wie zuhause wurden wir als Zufallsgäste zum Zvieri eingeladen, Platz zu nehmen. Als Trinkgefässe gab es Teile einer Feldflasche an Stelle von Tassen aus Porzellan. Dazu wurden die beliebten Militärbisquits gereicht. Raphael hatte herausgefunden, dass die Damen bei den Fliegertruppen eingeteilt waren. Sie hätte FlBMD-Dienst. FlBMD? Flugzeugbeobachtungs- und Meldedienst. Wenn sie einen Flieger am Himmel entdeckten, meldeten sie per Funk seine Position. Während unserer Teestunde war weit und breit kein Militärflugzeug zu sehen. Plötzlich kam Leben in die Bude. Hoch über Visp wurden zwei Flieger beobachtet. Eine Patrouille des Jagdflugzeugtyps Morane-Saulnier MS 406. Erstaunlich schnell hatten die Mädchen ihre Posten bezogen. Zwei bedienten das Funkgerät und den dazu gehörenden Generator. Andere suchten mit einem Feldstecher den Luftraum ab und gaben in einer unbekannten Sprache Befehle weiter. Das war eine sprachliche Verschlüsselung. Sie nannten es den Spaghetticode. Wir wollten nicht weiter stören und verabschiedeten uns mit Handzeichen. Zuhause stiess ich auf einen Unteroffizier, der gerade das Kompagniebüro verliess. Meine Begeisterung für die Frauen vom FlBMD teilte er nicht. Sein Missfallen gab er mit einer abschätzigen Handbewegung und «Ach Weiber» von sich und ging des Wegs.

Die meisten Sommerferien verbrachten mein Bruder und ich in Leuk. An einem Nachmittag im August lagen wir, diesmal zu viert, auf dem Bauch am Fusse des Turms. Vor uns ein mit solidem Stahlgitter verbarrikadiertes Kellerfenster. Dahinter ein Verbrecher. Paul wusste, dass die Polizei im Schelmenturm eine Arrestzelle für Delinquenten in Haft eingebaut hatte. In diesem Gemach befand sich ein Schelm, der sich mit uns in reinstem Oberwalliserdialekt unterhielt. Er bräuchte dringend Zigaretten und Feuerzeug. Bruder Robert streckte seinen Arm durchs Gitter. Als er ihn zurückgezogen hatte, eilte er, 65 Rappen in der Faust, zum Café «La Poste». Fünf Minuten später war er wieder da. Ein gelbes Päckchen mit quadratischem Grundriss, die klassische Parisienne-Verpackung in der Hand. Robi schob die Zigaretten und die Zündhölzchen wieder zurück durchs Gitter. Von uns vieren hatte er die schlanksten Ärmchen. Nur er konnte ins Innere der Zelle langen. Nur er konnte mit dem Schelm im Schelmenturm in Verbindung treten. Er war der Held des Tages. Raphael war der Vorsichtigste von uns. Er wusste, dass das, was wir taten, verboten war. Ein Gesetzesbrecher in Haft durfte nur mit der Verfolgungsbehörde Kontakt haben. Ein Grund für uns, das Weite zu suchen.

Die baufällige Ruine des Bischofsschlosses diente über die Jahre als Kulisse für die Freiluftaufführungen des Theatervereins, als Tanzlokal während der Fastnacht oder als Kaffeestube an der Generalversammlung des Frauenvereins. Anfangs der sechziger Jahre musste die Gemeinde das Schloss für alle öffentlichen und privaten Anlässen schliessen. Der Turm war einsturzgefährdet. Auch der übrige Teil des Gebäudes befand sich in einem desolaten Zustand. Der Gemeinderat hatte ein Problem am Hals. Abreissen oder renovieren. Die Kosten für die sachgemässe Renovation wurden auf 10 Millionen Franken geschätzt. Eine Menge Geld, welches in der Staatskasse fehlte. Da war guter Rat sprichwörtlich teuer. Die Lösung kam von ein paar weitsichtigen Burgern. Das Schloss sei ein Kulturdenkmal. Abreissen komme nicht in Frage. Sie gründeten eine Stiftung und begannen Geld zu sammeln. Dank Beziehungen einer Galeristin zum Tessin konnte Mario Botta als Architekt für die Wiederinstandstellung gewonnen werden. Mario Botta! Der international bekannte Tessiner und einer der drei berühmtesten Architekten der Schweiz übernahm das Zepter und führte das Projekt zum Erfolg. Mario Botta, der eloquente Dozent für Architektur, der Träger unzähliger Würden, Ehrendoktor, Gastdozent in den meisten Universitäten des gesamten Globus. Er war bereit, dem Gemeinderat von Leuk aus der Patsche zu helfen. Botta, der Architekt für klare Geometrie, war verfügbar, die Verantwortung für die Wiederauferstehung des Schlosses zu übernehmen. Die Präsentationen der Entwürfe während des Umbaus durch Botta waren spannende Vorlesungen der modernen Baukunst. Was entstand, war etwas ganz Unerwartetes, ganz Ungewöhnliches. Und sehr Gewöhnungsbedürftiges. Botta nannte es «la bella vista». Auf der Plattform des Turms, dort, wo wir während des Krieges Tee getrunken hatten, errichtet Botta ein Bauwerk, wie es das ganze Wallis bis jetzt noch nie gesehen hatte. Es war eine Kuppel aus Stahl und Glas in Form einer Zuchetti. Das war Botta. Die Verbindung einer Bausubstanz aus dem 13. Jahrhundert mit einem Konstrukt der Moderne aus Glas und Stahl. Das musste zu Diskussionen, Kommentaren und harscher Kritik führen. Wieder einmal lagen sich im Wallis die Konservativen und die fortschrittlichen Liberalen in den Haaren. Historiker versuchten, die Parteien zur Mässigung zu bringen. Die Kuppel aus Stahl sollte den ehemaligen, schon lange nicht mehr vorhandenen Holzaufbau in Erinnerung rufen. Botta wollte einen Dialog zwischen Historie und Fortschritt anstossen. Es ist ihm gelungen. Vielleicht, weil er als Student bei Corbusier dabei war, als die Kapelle in Ronchamps entstand. Ein Gotteshaus, in dem es keinen rechten Winkel gibt. Nicht das, was man sich unter einer Wallfahrtskapelle vorstellte.
Ich habe immer noch Mühe, mit Bottas «bella vista» Frieden zu schliessen. Jedes Mal, wenn ich in Leuk bin, versöhne ich mich ein bisschen mehr mit seinem Kunstwerk. Grosse Künstler sind der Zeit voraus und ecken mit einem neuen Opus in der Öffentlichkeit an. Das gilt für Maler, Picasso als Vorbild. In der Musik schockierte Paul Hindemith das klassische Konzertpublikum schon in den Vorkriegsjahren. Der Dadaismus trat mit literarischen Experimenten hervor.

So steht auch das Schloss Leuk als historisches Denkmal, zur Zeit der Gründung der Eidgenossenschaft entstanden, als Symbol für stetigen Ausbau und Umbau. Mario Botta setzte einen neuen Meilenstein auf dem langen Weg der Veränderungen des Gebäudes. Ein Meilenstein, der die Auseinandersetzung mit der heutigen Moderne markiert. Er zeigt, was Fortschritt ist. Er zeigt auch, dass es Zeit braucht, bis echte Kunst sichtbar, hörbar, lesbar wird.

Ich kenne das Schloss mit seinem Turm seit einem Dreivierteljahrhundert. Was in dieser Zeit schon alles daran verändert wurde, ist vielfältig. Veränderungen und Fortschritt gehören zum Leben. Der Schelmenturm ist dafür ein nachhaltiges Fanal.

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La tour des coquins

C’est ainsi que la population nomme le château épiscopal de Loèche. Cette citadelle qui signale au randonneur dans la vallée du Rhône: “Ici, sur le versant sud, se trouve, à l’époque où le Haut-Valais était encore une véritable république, la troisième ville la plus importante, après Brigue et Sion.”
Ma première rencontre avec le château fortifié remonte à bien des années, en pleine Seconde Guerre mondiale. Ma famille vivait alors à Loèche. Avec Raphaël et Paul, je parcourais régulièrement les alentours du château. C’était la guerre. Des soldats étaient présents dans toute la ville. Un bureau de compagnie avait même été installé dans notre maison. Trois pièces du premier étage avaient été utilisées à cet effet. Paul savait qu’une importante centrale pour les troupes d’aviation était installée en haut de la tour du château. Il eut fallu la visiter. Nous ne savions pas si c’était autorisé. Paul, le plus courageux d’entre nous trois, pris les devants pour grimper l’escalier en colimaçon délabré. Arrivé en haut, il fut accueilli joyeusement. Raphaël et moi n’avions pas encore atteint le haut de l’escalier. Nous n’en croyions pas nos oreilles. Des éclats de voix de femmes retentissaient. Des femmes soldats. Pas possible. Nous aussi, les deux retardataires, furent salués par des rires. Des jeunes femmes en uniformes bleus effectuaient ici leur service. Un feu ouvert brûlait dans le coin est de la terrasse. Une gamelle dans laquelle bouillait de l’eau était suspendue à un trépied improvisé. Nous fûmes reçus pour le thé. Comme à la maison, nous étions invités à prendre place en tant qu’hôtes occasionnels pour le goûter. Des pièces de gourdes remplaçaient les tasses en porcelaine. Le tout était accompagné des fameux biscuits militaires. Raphaël avait découvert que les dames étaient incorporées dans les troupes d’aviation. Elles effectuaient le service SOSA. SOSA? Service d’observation et de signalement des avions. Lorsqu’elles repéraient un avion dans le ciel, elles signalaient sa position par radio. Pendant notre heure de thé, aucun avion militaire n’était visible à des kilomètres à la ronde. Soudain, la situation s’anima. Deux avions furent observés par les hauteurs de Viège. Une patrouille d’avions de chasse de type Morane-Saulnier MS 406. Les filles avaient étonnamment vite repris leur poste. Deux d’entre elles manipulaient la radio et son générateur correspondant. D’autres scrutaient l’espace aérien avec une paire de jumelles et transmettaient des ordres dans une langue inconnue. Il s’agissait d’un codage linguistique. Ils l’appelaient le code spaghetti. Nous ne voulions pas les déranger davantage et prîmes congé d’un signe de la main.
De retour à la maison, je tombais sur un sous-officier qui quittait le bureau de la compagnie. Il ne partageait pas du tout mon enthousiasme pour les femmes du SOSA. Il exprima son mécontentement par un geste méprisant de la main et un “Ah, les femmes”, puis il partit.

Mon frère et moi passions la plupart de nos vacances d’été à Loèche. Un après-midi du mois d’août, nous étions allongés à plat ventre au pied de la tour, cette fois-ci à quatre. Devant nous, une fenêtre d’une cave barricadée par une solide grille en acier. Derrière elle, un criminel. Paul savait que la police avait installé dans la Tour fortifiée de la Dala une cellule de détention pour les délinquants en garde à vue. Dans cette cellule était emprisonné un coquin qui s’entretenait avec nous dans le plus pur dialecte haut-valaisan. Il avait un urgent besoin d’une cigarette et d’un feu. Mon frère Robert tendit son bras à travers la grille. Après l’avoir retiré, 65 centimes au poing, il se précipita vers le café “La Poste”. Cinq minutes plus tard, il était de retour avec un paquet jaune de forme carrée, l’emballage classique de la Parisienne, en main. Robi remit les cigarettes et les allumettes à travers la grille. De nous quatre, il avait les bras les plus fins. Il était le seul à pouvoir les glisser à l’intérieur de la cellule. Lui seul pouvait établir le contact avec le coquin de la tour des coquins. Il était le héros du jour. Raphaël était le plus prudent d’entre nous. Il savait que ce que nous faisions était interdit. Un contrevenant en prison ne pouvait avoir de contact qu’avec les autorités de poursuite. Une raison pour nous de prendre la fuite.

Au fil des années, les ruines délabrées du château épiscopal servirent de décor aux représentations plein air de l’association théâtrale, de salle de danse pendant le carnaval ou de café lors de l’assemblée générale du Cercle Féminin. Au début des années soixante, la commune dut fermer le château à toutes ces manifestations publiques et privées. La tour menaçait de s’effondrer. Le reste du bâtiment était également dans un état désastreux. Le conseil communal avait un sacré problème sur les bras. Démolir ou rénover. Les coûts d’une rénovation adéquate étaient estimés à 10 millions de francs. Une somme notable qui faisait défaut dans les caisses de l’État. Les bons conseils étaient donc proverbialement très chers. La solution vint de quelques bourgeois clairvoyants. Le château était un monument culturel. Il était hors de question de le démolir. Ils créèrent donc une fondation et commencèrent à récolter des fonds. Grâce aux relations d’une galeriste du Tessin, Mario Botta put être engagé comme architecte pour la rénovation. Mario Botta! L’architecte internationalement connu et l’un de trois architectes suisses les plus célèbres prit les rênes du projet et le mena à bien. Mario Botta, l’éloquent agrégé d’architecture, détenteur d’innombrables dignités, docteur honoris causa, professeur invité dans la plupart des universités du monde entier. Il était prêt à aider le conseil communal de Loèche à se sortir du pétrin. Botta, architecte d’une géométrie claire, était disponible pour assumer la responsabilité de la résurrection du château. Les présentations des projets par Botta pendant les travaux de rénovation étaient des cours passionnants d’architecture moderne. Ce qui en résultait était quelque chose de tout à fait inattendu, de tout à fait inhabituel. Et qui demandait un temps d’adaptation. Botta l’appelait “la bella vista”. Sur la plate-forme de la tour, là où nous prenions le thé pendant la guerre, Botta érigea une construction comme le Valais n’en avait encore jamais vu. C’était une coupole en acier et verre en forme de courgette. C’était du pur Botta. Le mariage d’une substance datant du 13e siècle avec une construction moderne en verre et en acier. Cela ne pouvait que susciter des discussions, des commentaires et des critiques acerbes. Une fois de plus, les conservateurs et les libéraux progressistes s’affrontèrent en Valais. Des historiens tentèrent de raisonner les partis à la modération. La coupole en acier devait rappeler l’ancienne structure en bois qui n’existait plus depuis longtemps. Botta voulait initier un dialogue entre l’histoire et le progrès. Il y est parvenu. Peut-être parce que, lorsqu’il était étudiant chez le Corbusier, il était présent lors de la création de la chapelle de Ronchamps. Un lieu de culte, dans lequel il n’existe pas un seul angle droit. Ce n’est pas non plus l’idée que l’on se faisait d’une chapelle de pèlerinage.

J’ai toujours encore de la peine à être en paix avec la “bella vista” de Botta. Chaque fois que je me rends à Loèche, je me réconcilie un peu plus avec son œuvre d’art. Les grands artistes sont en avance sur leur temps et se heurtent à l’opinion publique avec un nouvel opus. C’est vrai pour les peintres, Picasso comme modèle. En musique, Paul Hindemith a choqué le public des concerts classiques dès les années d’avant-guerre. Le dadaïsme s’est distingué par des expériences littéraires.
Ainsi, le château de Loèche, monument historique construit à l’époque de la fondation de la Confédération, est le symbole d’un développement et d’une transformation constants. Mario Botta a posé un nouveau jalon sur le long chemin des transformations du bâtiment. Un jalon qui marque la confrontation avec la modernité actuelle. Il démontre ce qu’est le progrès. Il montre aussi qu’il faut du temps pour que l’art véritable devienne visible, audible, lisible.

Je connais le château avec sa tour depuis trois quarts de siècle. Les modifications qui y ont été apportées au cours de cette période sont nombreuses. Le changement et le progrès font partie de la vie. La tour des coquins,  en est un exemple durable.

 

 

 

 

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