Am Sonntag pflege ich auszuschlafen. So richtig schlummern, bis ich wach werde. Kein Wecker und so oder so kein Handy welches klingelt. Schön ausschlafen. Wenn möglich bis um neun Uhr.
»Wer kitzelt mich so lästig?« Eine Fliege. Peng. Daneben. Es ist fünf Uhr in der früh. Ich will weiterschlafen. Ganz unter die Decke kriechen. Zur Seite liegen und die Augen zu. Bloss keine nackte Haut für die Fliege freilassen. Kaum wieder eingeschlafen, läuft das lästige Insekt über meine Nase! Hellwach. Peng. Natürlich wieder daneben. Irgendwo im Schlafzimmer liegt eine Fliegenklappe. Leider nicht in Reichweite. Inzwischen bin ich richtig wach. Eine Eintagsfliege raubt mir den wohlverdienten Schlaf. Ich bewaffne mich mit der Fliegenklappe. »Wo ist das Biest?« Auf Brigittas Decke. Zuschlagen geht da nicht. Ich darf sie nicht schon jetzt wecken! Da, auf dem Nachttischchen putzt sie ihre Vorderfüsse. Ein Schlag – eine tote Fliege. Schnell unter die Decke und weiterschlafen. Schäfchen zählen, damit ich weiter die Nacht verbringen kann. Nach einigen Atemzügen wieder ein Gekitzel auf meinem Oberarm. Eine zweite Fliege hat den Weg ins Schlafzimmer gefunden. Ich gebe es auf und beschliesse, dass ich wach bin.
Bei einem Kaffee, von einem warmen Morgenmantel umgeben, finde ich mich auf meiner Terrasse wieder. Noch ist die Sonne hinter dem Horizont. Von dieser mystischen Zwischenzeit, zwischen Nacht und Morgen, werde ich in den Bann gezogen. Langsam erwacht der Tag. Noch herrscht absolute Stille. Nur der Duft der frühen, frischen Morgenluft. Dieser spezielle Geruch kündigt die Tagwache an.Verstohlen eröffnet eine Amsel das Morgenkonzert der Vögel. Sie sitzt zu oberst auf der Tanne im Garten des Nachbarn. Der Tag steht auf.
Geräuschlos schreitet eine Katze an mir vorbei. Stolz, mit erhobenem Haupt bewegt sie sich. Selbstsicher paradiert sie an mir vorbei. Ohne mich eines Blickes zu würdigen. Für die Katze bin ich Luft! Noch nie hat mich ein Lebewesen so demonstrativ ignoriert. »Das ist mein Lustgarten!« signalisiert sie mit ihrem Gehabe. Mit behender Leichtigkeit springt sie auf meine Gartenmauer, setzt sich hin, schlägt ihren Schwanz um die Pfoten, hat alles beobachtend unter Kontrolle. Nur ich existiere nicht für diesen Haustiger. Dabei ist sie so hässlich, viel zu dick, richtig wüst. Wieder ein von den Menschen, mit Futter aus dem Supermarkt gemästetes, abgefülltes Haustier. Ich wette, meine Besucherin wäre niemals in der Lage, wie es auf dem Lande eigentlich sein sollte, sich von Mäusen und Ratten zu ernähren.
Plötzlich kitzelt mich etwas im Nacken. Es ist der erste Sonnenstrahl!. Jetzt ist der neue Tag vollständig da. Meine rote Diplademia, dieses Blütenwunder, leuchtet, vom Sonnenlicht durchflutet, aus ihrem Topf. So schön habe ich ihr Rot noch nie beobachtet. Ebenso schön leuchten die orange-roten Beeren der Eberesche. Das neue Licht des jungen Tages hat einen besonderen Zauber. Auch die Katze hat viel von ihrer Hässlichkeit verloren. Jetzt, wo auch sie sich sonnt. Sie hatte wohlwissend ihren Sitzplatz so gewählt um von der Sonne zum neuen Tag begrüsst zu werden. Meine Besucherin kennt sich in meinem Garten gut aus. Vom morgendlichen Licht gestreichelt erscheint sie direkt ansprechend, trotz ihres gewaltigen Übergewichts.
Ein leises Lüftlein bewegt sorgfältig das Blattwerk der Sträucher. Die kleinen Tautropfen am Spinnengewebe glitzern vorwitzig. Die Spinne muss schon früh mit dem Bau ihrer Insektenfalle begonnen haben. Beim ersten Gang durch den Garten versperren die Spinnenfäden den Weg. Sie bleiben im Gesicht kleben. Ein unerwünschter Morgengruss der Natur. Eine frisch gesponnene Spinnwabe in der Sonne glitzern zu sehen, steigert meine Laune zu einem Hoch. Sie ist doch wunderschön diese Natur, so vollkommen.
Die Stille ist vorbei. Hunde bellen. Die Flugzeuge aus dem Osten sind auf dem Landeanflug. Erste Stimmen der Frühaufsteher erreichen mein Ohr. Eine Autotüre wird zugeschlagen. Der Alltag meldet sich mit unüberhörbarem Motorengeräusch.
Die Fliege, dieses kleine Biest, dieser Plaggeist, hat mir unverhofft zu einem schönen Morgenerlebnis verholfen. Ich stehe auf, setze mich an den Schreibtisch und schreibe meine Geschehnisse nieder.
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