Der folgende Text beschreibt ein Gespräch zwischen dem deutschen Jagdpiloten Franz von Werra und seinem Neffen Hans. Das Gespräch ist Fiktion und von der Wirklichkeit losgelöst.
Hans
Lieber Onkel Franz,
Ganz herzliche Gratulation zu Deinem Geburtstag. Heute, am 13. Juli 2014, bist Du vor hundert Jahre als Sohn eines total verarmten Barons im Wallis, in der Schweiz, auf die Welt gekommen.
Franz
Es freut mich lieber Hans, dass Du daran gedacht hast. Ich erinnere mich nicht daran. Ich habe immer in Deutschland gelebt und meine Jugend mit meinen Pflegeeltern in Beuron in der Nähe von Sigmaringen (Hohenzollern) und Köln verbracht.
Das Erste, an das ich mich erinnern kann ist mein vierter Geburtstag. Das grösste Geschenk war ein echtes, lebendes Pony. Ausgerüstet mit Sattel und Zaumzeug. Zwischen Vati zur rechten Seite und Ludwig, dem Stallknecht zur Linken, bin ich über den Hof und über die abgeernteten Äcker geritten. Beinahe jeden Tag, sicher aber dreimal die Woche, sass ich auf meinem Pferdchen und ritt mit Vati über Felder und durch Wälder. Es war ein Genuss. Mit etwa fünfeinhalb beherrschte ich die Reitkunst so weit, dass ich auch ohne Begleitung das Pony bewegen konnte. Für meine leiblichen Eltern in der Schweiz habe ich mich nicht wirklich interessiert. Ich musste fast erwachsen werden, um zu hören, dass Vati nicht mein Vater und Mutti nicht meine Mutter waren. Ich fühlte mich als deutscher Staatsangehöriger und liebte meine Pflegeeltern, vor allem meinen Vater, einen preussischen Major. Er war sichtlich bemüht „einen stolzen, aufrechten Kerl“ aus mir zu machen. Das hat er auch getan.
Hans
Dass Du Dich nicht an Leuk erinnern kannst erklärt der folgende Tatbestand: Du kamst ja als fünfzehn Monate altes Kleinkind nach Beuron. Donaueck war Dein Elternhaus. Louisa von Haber Deine Mutter, Major Oswald Carl Dein Vater. Von Deinem eigentlichen Ursprung wusstest Du nichts.
Deine Eltern in Leuk waren, als Du geboren wurdest, in einer unheimlichen Notlage. Du warst der Siebte und der Jüngste. Ich versuche es mir oft vorzustellen, kein Geld zu haben, den Nachwuchs zu ernähren. Zu der Zeit war Deine ältere Schwester Marie-Louise schon bei der Familie des Kirchenmusikers und Organisten Ernst von Werra. Auch als Pflegekind in Beuron. Rosalie von Werra – Molitor, seine Frau, hatte Kontakt zu Deinen Pflegeeltern.
In Leuk stand man vor der schwerwiegendsten Entscheidung. Tragische Folgen würde sie haben. Entweder mussten die zwei jüngsten ins Waisenhaus oder sie musste nach Deutschland um in einem anderen, adeligen Haus eine standesgemässe Erziehung zu erhalten. Zwei Kinder des Barons ins Waisenhaus! Unvorstellbar.
Deine Eltern waren meine Grosseltern. Ich habe sie gut gekannt. Glaube mir Onkel Franz, Deine Mutter war eine grossartige, kluge Frau, mit einer unglaublichen Contenance. „Ich habe die Nacht, um zu weinen“ hat sie mir einmal gesagt. Der unabwendbare Entscheid die jüngsten Zwei nach Beuron zu geben, ist Deinen Eltern schwer, sehr schwergefallen.
Erzähle mir doch bitte mehr von Deinem Leben in Beuron.
Franz
Ich hatte eine wunderschöne Jugend in Beuron. Vater Oswald liess mir viel Freiheit. Ganz anders lebte meine grosse Schwester Charlotte. Unsere Mutter, meistens Mutti genannt, bisweilen auch Mamuschka, erzog uns zu Anständigkeit und Ehrenhaftigkeit. Sie hatte eine hohe ethische Gesinnung und gab uns diese mit. Mutter Louisa hatte sich in den Kopf gesetzt, Lotte zu einer höheren Tochter zu erziehen und sie auf eine gute Heiratspartie vorzubereiten. Das bedeutete für Charlotte, dass sie neben der Schule französisch, die Sprache der Diplomaten und Adeligen lernen musste. Geschichte wurde gebüffelt. Klavierstunden kommandiert. Im Gegensatz zu mir war die Bewegungsfreiheit meiner Schwester stark eingeschränkt. Was sage ich eingeschränkt; Charlotte stand Tag und Nacht unter Kontrolle und kam aus diesem goldenen Käfig nicht heraus.
Bis sie eines Tages genug hatte. Sie hielt das strenge Regime der Mutter nicht mehr aus. Sie hatte genug davon, schwarze Strümpfe zu stricken und die unverständlichen Vokabeln der schrecklichen französischen Sprache zu lernen. Sie wollte weg. Aus diesem Haus flüchten. Ein selbstständiges Leben beginnen. Sie überredete mich, mitzukommen. Mir gefiel die Idee, und wir heckten einen Plan aus. Charlotte war die treibende Kraft.
Sie hatte alles vorbereitet. Irgendwie ist sie zu Geld gekommen. Proviant und zwei Feldflaschen voll Tee hatte sie auch organisiert.
Hans
Erzähl weiter, wie ist die Flucht verlaufen?
Franz
Wir waren wirklich noch kleine Knirpse. Aber Biwi war eine gute Planerin. Sie hatte in einem Atlas gestöbert und entschieden: „Wir gehen nach Leverkusen! In fünf Stunden sind wir dort.“ Nachmittags um fünf war es ruhig im Haus. Erster Treffpunkt war der Gartenpavillon. Dort hatte Lotte am Vortag unsere Wanderschuhe und einen Rucksack versteckt. Wir kleideten uns für die Wanderung und füllten alles in den Rucksack. So gegen sechs zogen wir los. Anfangs ging alles gut. Nach einer Stunde schlug Lotte eine Pause vor. Abendessen wurde eingenommen. Es begann zu regnen. Allzu gut waren wir für diesen Wetterumschlag nicht gerüstet. Wir fanden Unterstand in einer verlassenen Scheune. Es wurde dunkel. Licht hatten wir nicht dabei. Der Regen liess nach. Mitten in der Nacht müssen wir nach Wermelskirchen gekommen sein. Wir hatten die Operation „Ab nach Leverkusen“ unterschätzt. Vorerst mussten wir für die restliche Nacht irgendwo unterkommen. Die Stadtkirche schien uns geeignet. Nur – die war geschlossen. Wir kauerten uns in der Vorhalle vor dem Tor an die Mauer und kamen uns ziemlich verloren vor. Irgendwie ist die Sache schief gegangen. Lotte begann zu räsonieren. Vielleicht sollten wir lieber wieder zurück. Unser Gedankenaustausch wurde von dem Geratter eines Motorrads mit Seitenwagen jäh unterbrochen. Aus dem Sattel stieg ein Schutzpolizist. Er war auf der Suche nach uns. Mutti hatte Alarm geschlagen. Wir sollen einsteigen. Lotte in den Seitenwagen, ich auf den Sozius. Der Polizist beschleunigte. Herrlich, so über Land zu flitzen. Die Luft streift die Wangen. Da fand ich heraus, dass mir rasches Fahren grosse Freude bereitete. Der Spass war allerdings rasch vorbei. Beim Absteigen raunte ich Biwi zu: „Mach Dich auf eine Strafpredigt mit Folgen gefasst!“ Erstaunlicherweise herrschte zuhause lauter Freude. Man war froh, uns wieder zu haben. Die Eltern hatten sich Vorwürfe gemacht und vor allem in Angst gelebt. Viel wurde über die erste, völlig misslungene Flucht, nicht gesprochen. Das meiste wurde unter den Teppich gekehrt.
Ich allerdings hatte gelernt, wenn man eine Flucht plant, sollte man die Operation bis zum Ende durchdenken.
Wie schon erwähnt, hatte ich viel mehr freien Spielraum als Lotte. Die ganz grosse Freiheit genoss ichvor allem beim Leben auf der Meierei. Dort gefiel es mir sehr, dort konnte ich sein. Ich wurde immer geschickter und mutiger im Umgang mit den Pferden. Neben dem Pony waren da noch zwei Rappen, auf denen sich hervorragend reiten liess, im Stall. Sie hiessen Lili und Lala. Natürlich hatte es notwendigerweise auch noch viele Arbeitspferde, Ackergäule für die Arbeit auf dem Felde. Im Pferdestall war mir wohl. Mit dem Stallknecht und dem übrigen Personal hielt ich gute Beziehungen. In der Reiterei wurde ich immer besser und frecher. Ab und zu ritt ich sogar alleine aus. Wir, das Pferd und ich, kamen schön verschwitzt wieder in den Stall. Ich versorgte mein Pferd immer selber. Wir waren eine Einheit. Beide liebten das Tempo. Wir hatten die gemeinsame Freude, miteinander über die Felder zu fliegen. Geschwindigkeit zu erleben, war für mich ein hohes Gut.
Als ich dann, nach gehabtem Ritt, meinen Freund, mein Pferd pflegte, ertappte ich mich oft dabei, dass ich sehnsüchtig einer Elster zuschaute, wie sie elegant von Baum zu Baum segelte, sich selbstbewusst auf den höchsten Wipfel niederliess und mit ihren Artgenossen schwatzte und jagte.
Mir fehlte die dritte Dimension. Wie ich die Sehnsucht von Ikarus verstehe. Wie ich den Drang von Leonardo da Vinci begriff, ein Flugobjekt zu bauen. Schnelligkeit am Boden ist schön, ja kann berauschend sein. Wie schön müsste das in der Luft sein. Wirkliche Freiheit gibt es für den Menschen nur, wenn er die dritte Dimension beherrscht.
Hans
Lieber Franz, Du hast mir jetzt vieles über das leben im Freien, über die Meierei erzählt. Wie war eigentlich das Leben in der grossen Villa Donaueck, das Stammhaus der von Haber?
Franz
Immer am Nachmittag, wenn wir vier uns zur Kaffee- oder Teestunde zusammengefunden hatten, in einer gemütlichen Ecke des geräumigen Wohnzimmers, dessen grosse Fenster einen weiten Blick in das Tal gestatteten, fühlte ich mich so richtig wohl. So schön geborgen. Zuhause! Vati erzählte oft aus seinem Leben. Von seinem elterlichen Haus in Celle, vom weitläufigen Park, der sich bis zur Leine hinzog. Eine ideale Badegelegenheit für ihn und Onkel Ernst.
Unsere Schulaufgaben gaben oft Anlass, ihn auf die Themen Geografie und Weltgeschichte zu bringen, in denen er mehr wusste, als ich in meinem Leben bislang lernen konnte. Die Teestunde wurde zur Erzählstunde. Diese Erzählungen in der Dämmerstunde hielten wir lange bei, auch als wir uns „kleiner gesetzt“ hatten und in die Meierei gezogen waren, sogar selbst noch später in Köln, als ich schon die oberen Klassen des Gymnasiums besuchte.
Erhebende Augenblicke waren es, wenn unsere Eltern gemeinsam musizierten. Wenn Mutti ihre Geige hervorholte und Vati sie auf dem Piano begleitete.
Ihnen in dem gediegenen Musikzimmer zuzuhören, war ein doppelter Genuss: Die glänzenden schwarzen Möbel, der Flügel, die hohen Bücherschränke, der Schreibtisch und die Sessel vor einer braungoldenen Tapete, die schweren roten Portieren, die die Fenster umrahmten, blieben mir unvergessen. Heute noch sehe ich die seidene Flügeldecke mit den in Gold gestickten zarten Reihern, deren Glanzaugen ich fast sämtlich herausgeklaubt habe.
Festlich wirkte auch das weissgetäfelte Esszimmer, dessen Ecken abgerundet waren durch Vitrinen, hinter denen kostbare Gefässe prangten und reich geschliffene Kristalle mit Szenen in die ich mich vertiefen konnte. Zwischen den Fenstern reichte ein grosser Spiegel von der Decke bis zum Boden. An den Wänden hingen die Armleuchter. Sie trugen kleine Schirme aus gelber Seide.
Ein grosser Salon schloss sich an. Der Boden hatte ein wunderbares Parkett. Die brokatbezogenen Möbel hatten vergoldete Armlehnen. Braunleuchtende Tische mit schwungvollen Linien stellten Museumsstücke dar. An den Wänden hingen dunkle Landschaftsgemälde in breiten, goldenen Rahmen.
Die Zimmerflucht beschloss ein reizendes Boudoir mit weichen Polstern und Kissen.
Eine Terrasse lief diesen Räumen entlang, deren herrliche Aussicht auf Beuron und das Donautal allen Besuchern grossen Eindruck machte. Zweiundvierzig Räume hatte das Haus. Ich war stolz darauf.
Hans
Das Leben besteht aus eine Aneinanderreihung von Erfahrungen, die einem möglicherweise später zu Gute kommen können.
Eine andere Frage Onkel Franz, wie hiess Deine grosse Schwester eigentlich Emma, Charlotte, Lotte, Biwi oder Moritz und Mo?
Franz
Spitznamen waren in unserer Familie stets in Gebrauch. Ich, der kleine Bruder, war für die Frauen Buschi, für Vati aber immer Franz. Charlotte war der offizielle Rufname von Emma. In der Schule und auf der Strasse wurde daraus Lotte. Biwi war eine Erfindung von Mutti.
Interessant war die Verwendung des Knabennamen Moritz. Er wurde nur zwischen uns beiden gebraucht und war geheim. Nur wir zwei. Niemand sonst durfte davon wissen, geschweige denn ihn gar benützen.
Lotte war im Grunde ein Bewegungstyp. Sie liebte den Sport, sie liebte, wie ich, die Geschwindigkeit. Das passte gar nicht in das Erziehungskonzept von Mutti. Sie wollte aus Lotte eine Dame der Gesellschaft machen. Sport und gar Autofahren war nichts für anständige höhere Töchter. Lotte war sehr körperbezogen. Sie liebte es, sich in einem knappen Badeanzug in der frischen Luft zu bewegen, zu turnen und zu spielen. Sie bewunderte gute Sportler. Wir gingen zusammen oft, mehr geheim als erlaubt, zu Sportanlässen und schauten den Athleten bei der Arbeit zu. Polo zu Pferd, fechten und schwimmen waren besonders beliebt. So traf Biwi eines Tages Moritz Handrick. Er war ein Supersportler. Ein wahrer Adonis. Für den modernen Fünfkampf trainierte er. Lotte war hin. Sie wusste alles über ihn. Sie bewunderte seinen athletischen Körper. Er war ihr Schwarm, das Vorbild, den Sportler schlechthin, ein Held!
Ich sollte ihn später an der Sportschule und auch als Pilot der Luftwaffe noch besser kennenlernen.
An den Sommerspielen 1936 der Olympiade holte Moritz in Berlin die Goldmedaille. Das war eine echte Leistung. Das war Moritz!
Lotte führte ein Tagebuch. Dort hinein klebte sie alle Bilder die sie in Sportzeitungen und Illustrierten finden konnte. Sie verfolgte seine Karriere im Rundfunk. Sie kannte seine Ergebnissen im Schwimmen, Fechten, Schiessen, Reiten und Laufen.
Vati war damals schon todkrank. Lotte schwärmte für Moritz. Nur ich wurde ins Vertrauen gezogen. Wir hatten ein gemeinsames Geheimnis. Dieses gab mir die Möglichkeit, auch gelegentlich Lotte mit ihrer Schwärmerei zu necken. Von da an nannte ich sie oft Moritz. Die Spitznamen wurden so etwas wie ein geistiges Band, das uns zusammenhielt und vor den ungemütlichen Ereignissen in der Familie Carl schützte. Die Familie Carl war ja im Chaos der Gefühle zerbrochen. Wir hatten nur noch uns zwei. So beschloss ich, sie in Zukunft Moritz oder Mo zu nennen und sie mich Buschi. Nach dem Tode von Vati, im Herbst 1933, waren nur wir noch für einander da.
Hans
In unserer Familie bist Du so richtig berühmt geworden, als Emma nach Leuk gereist ist und uns von Dir erzählt hat. Was gab Dir den Antrieb, Deutschland zu verlassen und nach Amerika abzuhauen.
Franz
Hans, Du kannst Dir keinen Begriff machen in was für einem Schlamassel Deutschland stak. Und unsere Familie genau so. Das Volk verarmte. Not und Hunger so weit das Auge reichte. Die Weimarer Republik hatte politisch keine Autorität. Ich hatte genug von Deutschland. Ich hatte genug von meiner Familie, die gar nicht meine Familie war und mich mit Notlügen eindeckte. Ich hatte genug von dem Leben in der Misere. Ich hatte genug von Europa. Ich wollte einfach weg! Amerika war das Land mit der grössten Freiheit eines jeden Bürgers. Dort wollte ich hin. Dort wollte ich ein neues Leben aufbauen. Mein Leben nach meinem Gusto gestalten.
Hans
Und dann kam alles ganz anders. Nach dreieinhalb Monaten als blinder Passagier warst Du wieder in Hamburg, ohne je einen Fuss auf amerikanischem Boden gesetzt zu haben.
Zurück auf Feld eins!
Franz
Mein lieber Neffe, ich war am Boden zerstört. Zurück ins Gymnasium wollte ich nicht mehr. Kurz nach Weihnachten 1932 vernahm ich, dass Moritz und Vati heiraten wollen. Ich war völlig allein. Keine Familie. Mit Mutti und Vati lag ich in Unfrieden. Mo gehörte auch nicht mehr zu mir.
Das folgende Jahr war mein Katastrophenjahr. Das Jahr, in dem Du geboren bist und Hitler die Macht übernahm. Ich hielt mich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Viel zu verdienen gab es nicht. Deutschland lag wirtschaftlich und politisch am Boden. Arbeitslosigkeit, Verarmung und eine unfähige Regierung ohne jede Führung. Eine totale Verelendung der Mittelklasse. Viele Mitmenschen sehnten sich den Kaiser wieder herbei. Deutschland brauchte einen neuen Chef. Jemand, der die Führung übernimmt und uns aus dem Schlamm wieder hochzieht. Ich fühlte mich so elend wie noch nie. Nie vorher und nie nachher. Ich war 18 Jahre alt. Ich hatte nichts. Keine richtige Ausbildung, keinen Anschluss, kein Diplom, keine Beziehungen, kein Geld, keine richtigen Freunde, kein Zuhause. Nichts! Ich wurstelte mich einigermassen durch. Eines Abends hatte ich genug von meinem Selbstmitleid. Ich raffte mich auf. Ich meldete mich bei der Sportschule im westfälischen Hamm. Ich wollte Wehrsportlehrer werden und eine Karriere als Offizier der Wehrmacht starten. Das gelang und gab mir meinen Lebenswillen zurück. Es war wirklich die allereinzige Möglichkeit, aus der wirtschaftlich unmöglichen Situation heraus zu kommen. Ein ungeheurer Antrieb entbrannte in mir. Ich bestand die Aufnahmeprüfung in die Sportschule. Das war der Start zu einer Militärkarriere. Endlich hatte ich ein Ziel vor Augen: Zum Heer und dort zur modernsten Waffengattung, zur Luftwaffe. Es gelang. Auch die Aufnahmeprüfung in die Luftwaffe hatte ich bestanden. Ich wurde Soldat. Das war anfangs 1934. Das Krisenjahr 33 habe ich aus meinem Leben gestrichen.
Hans
Auch für Emma brach zur selben Zeit eine völlig neue Zeit an.
Franz
Ja, gegen Ende 1933 ist Vati schwer krank an einem Gallenleiden gestorben. Moritz und ich sind in Dortmund zusammengezogen. Nur war ich selten mit ihr zusammen. Die Ausbildung zum Piloten und zum Offizier forderte lange Jahre im Heer mit wenig Urlaub. Mo war während meiner soldatischen Ausbildungszeit meine moralische und finanzielle Unterstützung. Wir sahen uns nicht oft, hatten aber einen intensiven Briefkontakt. Wir schrieben uns beinahe wöchentlich. Ohne Mo wäre ich nie Offizier geworden. Kommt dazu, dass die ersten Jahre unter Hitler Arbeit und Wohlstand brachten. Wir wurden wieder als Industrienation ernst genommen. Am Horizont winkte eine Zukunft wie zu Kaisers Zeiten. Ich witterte Morgenluft. Allzu lange konnte das mit dem Krieg nicht gehen. Dann Friede, auf zu neuen Ufern!
Mo hatte Arbeit als Sekretärin und stand auf eigenen Füssen. Sie besuchte unsere Familie im Wallis. Eine Familie weit weg in der Schweiz, die ich nicht nie gekannt habe und nie kennenlernen wollte.
Es ging in unserem Land ja wieder bergan. Die Aussichten waren prächtig. Ich war Pilot und lernte die Schönheit des Fliegens kennen. Endlich gehörte mir auch die dritte Dimension.
Wer das nicht erlebt hat, lieber Hans, weiss nicht, wie schön das Leben in der Luft ist. Du bist eins mit Deiner Maschine. Frei wie ein wendiger Vogel kannst Du Dich bewegen. Hier erlebst Du den höchsten Genuss. Es kann zur Sucht werden mit hohem Tempo Loopings und Immelmänner zu fliegen. Es wird zum Rausch! Der Rausch des Fliegens. Die Herrlichkeiten, denen es zwischen Himmel und Erde zu begegnen gibt, sind überwältigend.
Hans
Zurück zur Sportschule. Du bist Kampfflieger geworden. Wie ging es dann weiter?
Franz
Die wirkliche Triebfeder war das miserable Umfeld, in dem sich Deutschland und auch ich selbst mich befand. Es gab nur noch arme Leute. Bedürftigkeit und Armseligkeit wohin man schaute. Es war nicht mehr zum Aushalten. Wie schon gesagt: Die einzige Chance für eine Flucht aus diesem Elend, war das Heer. Dort bei der modernsten Waffengattung, der Luftwaffe, sah ich die allereinzige Chance für eine Karriere.
Hans
So wurdest Du Offizier dieser modernen Waffengattung, der Luftwaffe.
Franz
Bis es so weit war, hat es allerdings ein paar Jahre gedauert. Um genau zu sein, brauchte ich vom Eintritt in die Sportschule bis zur Beförderung zum Leutnant satte fünf Jahre. Alleine hätte ich es nicht geschafft. Moritz war meine moralische und finanzielle Stütze. Ohne Moritz wäre ich auf der Stufe Flugzeugwart hängen geblieben. Ich hätte nie eine Flugstunde erlebt. Mo und ich standen uns echt sehr nahe. So wurde ich Jagdflieger und sehr glücklich in meinem neuen Beruf.
Hans, das musst Du verstehen. Zum allerersten Mal stand ich auf eigenen Füssen. Gehörte ich zur Elite. Sah ich eine Zukunft vor mir. Hatte ich ein Ziel! Der Führer hat allen Offizieren, die das Ritterkreuz trugen, ein Landgut in den eroberten Gebieten im Osten des Landes versprochen. Das war mein Ziel, Gutsherr werden einer eigenen Meierei, schöner als wir sie in Beuron hatten. Und ein Leben in Frieden! Der Krieg konnte ja sowieso nicht lange dauern. Ich musste mich sputen, das Ritterkreuz zu verdienen. Mo war sehr stolz auf mich. Sie wollte unbedingt, dass ich durchhalte. Denn lustig war die Ausbildung auch nicht immer. Vor allem half sie mir finanziell. Ich war immer knopfstier. Ich hatte keine Mark persönliches Kapital. Der Sold reichte auch nur für das Allernötigste. Für grössere Beschaffungen hatte ich kein Geld. Vieles mussten wir aus eigenen Mitteln finanzieren. Teile der Uniform, Lehrbücher und Zigaretten. Rauchen gehörte dazu und wurde von Woche zu Woche teurer.
Wenn ich daran zurückdenke, schäme ich mich heute noch, wie ich meine Schwester regelmässig anbettelte. Sie hatte selbst kaum genug zum Leben. Ihr war meine Karriere als Offizier so wichtig, dass sie sich aufs Allernötigste beschränkte und mich mit dem Ersparten unterstütze. Sie war der einzige Mensch damals, den ich hatte, der sich um mich sorgte.
Hans
Als Du dann in der neuen Uniform da standst, wart Ihr beide sehr stolz und sehr glücklich.
Franz
So war es. Ich weiss nicht, wo die Freude grösser war, bei Moritz oder bei mir. Mo war hell begeistert. Sie liebte Soldaten in Uniform, ganz besonders Offiziere.
Hans
Das hat sie von ihrer Mutter geerbt. Für Grand’maman waren Offiziere alles Helden. Männer, die für die Sicherheit der Frauen und Kinder garantierten. Ich habe das selber einmal erlebt. Wir lagen in Turtmann, dem Flugplatz für Mirage-Flugzeuge ganz in der Nähe von Leuk. Eines Abends überraschte ich Deine Mutter mit einem Besuch. Ich war gerade Hauptmann geworden und kam begleitet von Adjudanten vorbei. Das war ein Fest für sie. Sie eilte in den Keller. Ging rasch zum Bäcker. Tischte uns in Blitzes Eile ein Abendessen auf. Sie war die Tochter eines Offiziers und Enkelin eines Generals; sie wusste, was sich gehört, wenn sich die Herren meldeten. Franz, in Deiner Familie im Wallis findest Du viele Offiziere.
Franz
Ich war wirklich sehr stolz darauf, mein erstes Karriereziel erreicht zu haben. Mo förderte mich, wo sie nur konnte, und forderte mich eben so. Sie trieb mich an. Ich startete die Arbeit an meine Zukunft. Gehörte ich doch jetzt zur Elite. Mein Ziel war nun das Ritterkreuz.
Hans
Das kam dann alles etwas anders. Das Ritterkreuz hast Du erhalten. Das Ende des Krieges aber nicht erlebt. Onkel Franz, Hand aufs Herz, ohne Hitler wärst Du nie so berühmt geworden. Warst Du ein Nazi? Für unsere Verwandten sind alle, die im Heer dienten und am Zweiten Weltkrieg teilnahmen Nazis.
Franz
Mein lieber Neffe, diese Frage musste ja kommen. Um es ganz kurz zu machen: Nein, ich war kein Nazi. Weder in meiner Gesinnung, noch war ich in der Hitlerjugend und in der Partei. Im tiefsten Herzen hat mich Politik nie interessiert. Für mich war der Krieg eine Gelegenheit, mein Können unter Beweis zu stellen. Wir waren die Ritter der Lüfte. Uns Piloten interessierte weder Macht noch Vorherrschaft. Den Theorien von Hitler haben wir nie richtig geglaubt. Für uns Jagdflieger gab es nur den Kampf Mann gegen Mann. Der Bessere überlebt.
Natürlich wussten wir vom Terror der SS und von den Konzentrationslagern. Natürlich waren wir ein wichtiges Element der NS-Propaganda. Es war auch schön, als Held gehandelt zu werden. Es war sogar sehr schön, zur absoluten Elite zu gehören und entsprechend bewundert und verehrt zu werden. Der hohe Prestigegehalt unser Waffengattung und das Wissen, dazu zu gehören, waren enorm motivierend für uns alle in der Luftwaffe. Mir ging es darüber hinaus ums Vaterland. Ich bin ein überzeugter Deutscher. Uns ging es nach dem Ersten Weltkrieg so furchtbar schlecht. Das musste besser werden. Dafür wollte ich mich einsetzen. Wenn die Diplomatie nicht weiter kommt, geht man zum Krieg über. So war das immer. Alle Nationen hatten Heere und Generalstäbe. Deutschland konnte nur mit den Mitteln des Krieges die verlorene Ehre zurückerobern. Das war der Preis für die Besserstellung unseres Vaterlandes. Ich war bereit, ihn zu bezahlen.
Hans
So um 1985 traf ich auf einer Geschäftsreise einen älteren Herrn. Er war auch Jagdflieger gewesen. Er ist in Deiner Staffel geflogen. Er hat mir viel über Dich erzählt und auch über sich. Er war erfolgreicher Unternehmer und sagte mir wörtlich: „Gottseidank sind wir damals 1941 als Kriegsgefangene nach Kanada transportiert worden. So haben wir den Krieg überlebt. So konnten wir eine Karriere in der Bundesrepublik aufbauen.“ Mir Deiner Flucht aus dem fahrenden Zug und der abenteuerlichen Überquerung des St. Laurenz Stromes hast Du auf den Schutz als Kriegsgefangener verzichtet. War das fürs Vaterland oder war das für Hitler?
Franz
Ich war Soldat. Ich hatte einen Fahneneid geleistet. Ich musste und wollte zurück an die Front. Ich wurde dort gebraucht, um das Vaterland zu retten.
Hans
Zurück in der Heimat wurdest Du aber von der Front abgezogen und auf den Feldflugplatz Katwijk in Holland verlegt.
Franz
Mein lieber Hans, das war für mich die grosse Enttäuschung. Wir lagen dort fern vom kriegerischen Geschehen. Wir hatten nichts Rechtes zu tun. Es war langweilig. Hier in Holland war nichts los. Hier war Friede. Warum liege ich hier nutzlos herum? War ich zu naiv, zu leichtgläubig? Das ganze Hitlerregime begann ich infrage zu stellen. In Katwijk habe ich mir dann die furchtbare Frage gestellt: „Ist das Ganze vor dem Gewissen vertretbar?“ Eigentlich nicht, nein.
Da fiel mir ein, dass ich einen Bruder habe, der mit seiner Familie in Den Haag, ganz in der Nähe, wohnt. Mit ihm wollte ich mich besprechen.
Hans
Das war am 21. Oktober 1941, als Du uns in der Vlierboomstraat 557 besucht hast, ich gerade Mal acht und schockiert, dass wir von einem Deutschen Offizier Besuch bekamen. Ihr wart bei der Bevölkerung in Holland alles andere als beliebt.
Franz
Lass mich erzählen.
Ich erinnere mich, du bist dort ziemlich misstrauisch im Hintergrund herum geschlichen. Für mich war das Treffen ein grosses Erlebnis. Vom ersten Augenblick an war klar, dass er mein Bruder sein muss. Da brauchte es keine Papiere für den Beweis. Ich dachte ich schaue in den Spiegel, so glichen wir einander. Nicht nur unsere Statur, auch im Gespräch, wir hatten beide das abenteuerliche Temperament in der Brust. Wir waren zwei Stunden zusammen oder vielleicht drei. Nach 27 Jahren treffe ich meinen drei Jahren älteren Bruder Ignaz, meinen richtigen leiblichen Bruder. Ich habe einen Bruder, und ich habe ihn kennengelernt. Die Schwester Therese hatte ich vor drei Jahren in Deutschland getroffen. Das waren Blutsverwandte, Teile meiner Familie. Eine Familie, die man mir immer vorenthalten hatte. Ich war sehr gerührt. Wir, Ignaz und ich, beschlossen uns besser kennenzulernen. Ich wollte auch meine Schwägerin und meine zwei Neffen kennenlernen. Als Erstes wurde eine Feier im „Hotel des Indes“ in Den Haag geplant für nächsten Samstagabend. Ich bringe ein paar Kameraden mit, und dann wird gefeiert.
Hans
All das wurde Dir bewusst, nachdem Du meinen Vater kennengelernt hast? Was habt ihr eigentlich wirklich besprochen? Vier Tage später bist Du abgestürzt. Bei einem völlig harmlosen Patrouillenflug. Ihr ward eine Doppelpatrouille ohne Feind weit und breit. Unverständlich. Onkel Franz, der Ritterkreuzträger mit mehr als 20 Abschüssen, stürzt ohne Grund in die Nordsee. War das vielleicht Sabotage? Wollten sie Dich auf elegante Art loswerden? „Dieser Held ist uns zu gefährlich geworden, er muss weg!“?
Franz
In den ersten Jahren meines Dienstes sah alles nach einem Blitzkrieg aus. Kurzer Waffengang – Grossdeutschland – und ich im Frieden als Gentleman Farmer. Das war meine Motivation. Ich sonnte mich in der Rolle eines Helden, eines Draufgängers, eines Abenteurers, dem alles gelingt. Auch alle die Fluchtversuche aus der Kriegsgefangenschaft und die Heimreise durch die halbe Welt waren von Abenteuerlust und Heimatliebe getrieben. Ich war sehr stolz von Hitler selbst empfangen zu werden, mit ihm und zwei weiteren hohen Tieren der Armee, Generalfeldmarschälle Keitel und Jodl, zu Mittag zu essen. Vom Führer persönlich das Ritterkreuz zu empfangen, ist etwas ganz besonders.
Beim ganzen Lob und Pump hatte ich irgendwo zuhinterst im Schädel ein schales Gefühl. Irgendetwas stimmte da nicht. Kurz vor der Nachspeise fiel es mir wie Schuppen von den Augen: „Dieser Hitler ist krank. Hochpsychotisch!“ Sein Bestreben, Deutschland zu retten ist ein Vorwand. Er ist süchtig, süchtig nach unbegrenzter Macht, nach Omnipotenz. Koste es was es wolle.Kasten Franz 20140703
Als ich wieder mit meiner Staffel gegen Russland im Einsatz stand, verflogen diese düsteren Gedanken. Etwas hingegen, war in meiner Brust verändert. Beim Besuch bei Hitler ist in mir etwas zerbrochen, ist etwas kaputt gegangen.
So richtig bewusst wurde mir das, als ich plötzlich von der Front zurückgezogen wurde. Die Geschichte mit der neuen Messerschmidt Me 109-F4 war eine faule Ausrede. Das Versprechen, ich würde dann Cheftestpilot auf dieser Neuheit, war eine Lüge. Man wollte mich aus dem Kriegsgeschehen entfernen. Auf gar keinen Fall dürfte ich ein zweites Mal in Kriegsgefangenschaft geraten. Ich wusste zu viel. Zu viel vom Feind. Zuviel von uns. Ich war ein zu grosses Risiko und wurde kurzerhand nach Katwijk abgeschoben.
So lag ich mit meiner Staffel in Holland. Wir hatten keinen richtigen Auftrag. Eine lächerliche Verschwendung von Personal und Material.
Wir hatten Zeit zum Nachdenken. Ich besonders nahm mir die Zeit und stellte meine Überlegungen an. Lange und oft dachte ich über mein Leben nach. Gefühlsmässig befand ich mich in einem Riesentief. Es war dieselbe Misere wie in der Zeit vor meinem Militärdienst. Ich habe den Heldenruhm genossen. Jetzt komme ich mir ausgenutzt vor. Hitler hatte mir von Anfang ein Theater vorgespielt, eine üble Posse. Es ging gar nicht um die Heimat. Man hat mich über den Tisch gezogen. Ich war ein Teil von Goebbels Propagandamaschine. Ich war gar kein Held. Eine Marionette war ich. Ich hing an Fäden, die von Grössenwahnsinnigen gezogen wurden. Deshalb wurde meine abenteuerliche Flucht durch Amerika-Afrika zurück in die Heimat geheim gehalten. Deshalb durfte niemand wissen, dass ich wieder in Berlin war. Deshalb wurde das Manuskript des Buches, in dem ich die Erfahrungen in englischer Kriegsgefangenschaft niedergelegt hatte, nicht publiziert. Nicht weil es zu englischfreundlich und zu wenig arisch war, wie mir einmal ein Lektor des Verlags im Vertrauen mitteilte. Die Tommies waren auf dem Gebiet der Befragung wirklich besser wie wir. Deshalb wurde ich von der Front in die Etappe kommandiert. Als zu grosses Risiko wurde ich aus dem Verkehr gezogen! Auch der Empfang beim Führer war inszeniert. War ein Teil dieser Strategie des Kaltstellens.
Der Besuch bei Deinem Vater in Den Haag gab mir den letzten Schub. Einmal mehr war ich in meinem Leben belogen, betrogen, hintergangen, missbraucht und getäuscht worden.
Ich konnte dem Treiben von Hitler nicht mehr zusehen, es nicht mehr unterstützen.
Auf der Fahrt von Ignaz zurück auf den Flugplatz wurde es mir klar: Ich kann nicht mehr mitmachen. Es gibt nur ein definitives Aussteigen.
Nach mehr als siebzig Jahren will ich das Geheimnis lüften. An jenem 25. Oktober war ich sehr erregt. Ich war aufgewühlt. Ich tigerte in der Baracke herum. Ich schimpfte mit der Bodenmannschaft. Mir war nicht wie sonst.
Mit einer endgültigen Absicht im Kopf befahl ich den Kontrollflug einer Doppelpatrouille über die Nordsee.
Die Kameraden stierten mich an. Für gewöhnlich starteten wir eine einzige Maschine für eine solche lächerlich einfache Mission. Ich konnte es in ihren Gesichtern lesen: „Jetzt spinnt der Alte!“ „Auch gut, gehen wir zu viert.“ So gondelten wir 1500 Meter über Grund über die Nordsee.
Weit und breit kein Feind. Weder in der Luft, noch in der See. Es war die Ruhe selbst. Nur der Wind war etwas ruppig. Nach dreiviertel Stunde stellte ich den Motor von Hand ab. Die Meldung im Sprechfunk: „Mein Motor ist sauer. Probiere eine Notlandung“. Um dem Ganzen noch einen möglichst realistischen Anstrich zu geben, legte ich meine Kiste in eine Vrille und tat so, wie wenn ich mit dem Fallschirm aussteigen wollte. In Wirklichkeit sausten wir beide, meine geliebte Maschine und ich, in die See.
Stolz bin ich heute noch auf meinen Galgenhumor in meinem letzten Funkspruch: “ Verdammt kalt zum Baden, was?“
Hans
Onkel Franz, Du hattest zwei Seelen in Deiner Brust. Die eine war die des Draufgängers, der Abenteurers, des Ausbrechers, des waghalsigen Realisators. Die andere zeigt Dich als gefühlvollen Menschen, einen gewinnenden ehrlichen Freund, der zu einer gewissen Naivität neigt. Einen emotional-warmherzigen, sympathischen Menschen, der in seiner berührenden Art offen auf jedes seiner Gegenüber zugeht.
Ich werde Dich in die Ahnengalerie der Offiziere unserer Familie einreihen. Neben General de Wolff und Oberst Caspar-Ignaz von Werra. Du wirst auch dort eine gute Figur machen. Du gehörst zu uns. Es war schön mit Dir zu plaudern. Es war ein interessanter Gedankenaustausch.
Weiterführende Literatur:
Sebastian Haffner „Von Bismarck zu Hitler“ Ein Rückblick. 1987 Kindler Verlag GmbH München ISBN: 3-463-40003-0
Kendal Burt „The one that got away“ [Einer kam durch] 1956 Collins with Michael Joseph, London.
Wilfried Meichtry „Du und ich – ewig eins“2006 Ammann Verlag & Co Zürich
ISBN: 3-250-30019-5
Wilfried Meichtry „Die Walliser Adelsfamilie von Werra“ Bern-Leuk 2001 Doktorarbeit bei Frau Professor Beatrix Mesmer, Philosophisch-historische Fakultät der Universität Bern
Werner Schweizer „VON WERRA“ Film auf DVD. 1 Stunde 44 Minuten. Xenix 21022
Dschoint Ventschr Filmproduktion Zürich 2002
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