Klassenzusammenkunft

Das war mir von Anfang klar. Zu einer Klassenzusammenkunft würde ich nie eingeladen werden. Sicher nie! In den ersten sechs Schuljahren war mir dieser Ausdruck nicht einmal begegnet. Ich wusste nicht, was Klassentreffen für Anlässe waren. Geschweige denn, warum diese überhaupt abgehalten wurden. Mein guter alter Freund Willi setzte mich viel später darüber ins Bild. Seitdem war «Klassenzusammenkunft» für mich gleichbedeutend wie gutbürgerlich, ortsfest und konservativ. Für schulische Vagabunden wie meinen Bruder und ich war das nichts. Wir hatten zusammen einmal ausgerechnet, wie viele Lehrpersonen wir in der ganzen obligatorischen Schulbildung erlebt hatten. Es waren deren fünfunddreissig, in drei verschiedenen Sprachen und unterschiedlichen Landesgegenden. Das Einmaleins und lesen und schreiben wurde uns auf Holländisch, Französisch und Deutsch beigebracht. Der Grund für diese babylonische Vielsprachigkeit war unser Vater. Als Hotelier arbeitete er in sehr vielen grossen Städten Europas. Und die Karawane, die Familie, machte den dauernden Ortswechsel mit. Das erklärt vieles. Es bedeutet, dass wir in unserer Jugend nicht von einer Ortfestigkeit reden konnten. Diese Vagabunderei gehörte bei uns Kindern zum Leben. Wir empfanden es als normal. Wir genossen diese Wurzellosigkeit. Mit zunehmendem Alter entstand zwar ein vages Gefühl der Heimatlosigkeit. Im Stillen begannen wir ein normales, gutbürgerliches Leben herbei zu wünschen.

Für Robi und für mich gab es keine Klassenkameraden, keine Schulklassengemeinschaft und keine Schulhäuser, wo man uns kannte. Wir wurden immer wieder in irgendeine weltfremde Klasse hinein parachutiert, verbrachen dort ein bis zwei Semester und verschwanden dann wieder. Von den Klassengenossen wusste niemand so richtig, woher wir kamen, wohin wir gingen. Es war ihnen übrigens auch vollkommen egal. Unsere Grundschulung war beinahe mit den Kindern von Zirkusartisten zu vergleichen. Wie sollten wir da je zu einer Klassenzusammenkunft eingeladen werden?
Das sollte anders kommen.
Willi Theurer, mein wirklich allerältester Freund, hatte ich in der Sek kennengelernt. Er hatte die Idee, ein Klassentreffen zu organisieren. Wir kannten uns seit 1947. In Luzern sassen wir nebeneinander, in der gleichen Schulbank. Dort haben wir uns gegenseitig die Hausaufgaben abgeschrieben. Das schweisst zusammen. Heute ist Willi bereits gestorben. Bis zu seinem Tod haben wir uns nie aus den Augen verloren.
1967 machte er den Vorschlag, zum zwanzigjährigen Jubiläum eine Zusammenkunft auf die Beine zu stellen. Wenn Willi etwas organisiert, dann findet der Anlass auch statt. Da gibt es nicht Halbbatziges. Jeden Generalstab lässt er mit seinen Projekten alt aussehen. Das ging so weit ins Detail, dass er sogar noch einen Klassenspiegel von damals aufgetrieben hatte. Er wusste so ganz genau, wer damals, in welcher Schulbank gesessen hatte. Alle Kameraden waren pünktlich zum Fest erschienen. Niemand fehlte.
Der erste Teil der Versammlung fand im ehemaligen Klassenzimmer statt. Jener Kammer, in der wir von zwei Lehrern unterrichtet worden waren. Jeder der Kameraden sass jetzt wieder an seinem angestammten Platz. Die beiden Lehrer waren auch da. Inzwischen betagte, pensionierte Herren. Damals waren die Schulklassen streng nach Geschlechtern getrennt. Die Mädchen gingen in einem anderen Schulhaus zur Schule. So kam es, dass auch heute gestandene Männer, die Buben von damals, brav in den Bänken sassen. Das Wiedersehen war herzlich. Es war, wie wenn wir gerade aus der Schulpflicht entlassen worden wären. Nichts hatte sich geändert. Die Lausbuben und Schlaumeier waren immer noch die gewieften Frohnaturen. Die Primusse und Streber von früher hatten nichts von ihrer Besserwisserei verloren. Auch die Unsympathischen sind nur älter geworden. Sogar die Lehrer hatten nichts von dem eingebüsst, was sie früher beliebt oder unerträglich gemacht hatte. Wir hatten den Unterricht des Sprachlehrers immer geschätzt. Wir gingen gerne zu ihm in die Stunde. Heute, am Tage des Wiedersehens, verstanden wir auch, was ihn so liebeswürdig machte. Er liebte seinen Beruf. Er mochte die Schüler, und zwar alle, die Guten ebenso wie jene, die mit dem Französisch auf Kriegsfuss standen. Er konnte mit allen umgehen. Alle haben viel von ihm gelernt. Der andere hingegen war ein Notenfuchs. Immer auf der Jagd nach Fehlern. Er ist bis in seine Pension ein Plagegeist geblieben. Heute, 20 Jahre später, hatte sich nichts, aber auch gar nichts geändert.
Das war für mich das erste Erlebnis, was ich nach dem Treffen mit nach Hause nahm. Erstaunlich, wie stabil die Talente und Begabungen sind. Wie wenig sie sich im Verhalten der Kameraden geändert hatten. Die persönlichen Eigenschaften, welche in der Jugend schon zutage traten, hatte sich unversehrt ins spätere Leben hinübergerettet. Der Charakter, das Temperament und das Verhalten der Menschen scheinen nicht zu altern.
Das zweite Phänomen fiel mir auf, als wir später in der Wirtschaft sassen und in Erinnerungen schwelgten. Auch die Verteilung von Sympathie und Antipathie hatte sich nicht verändert. Es sassen dieselben Gruppen zusammen, wie sie sich schon 1947 gebildet hatten. Die Spassvögel, die Wichtigtuer, die Ernsthaften und die Mühsamen, hatten sich sofort, heftig diskutierend, an den verschiedenen Tischen zusammengefunden.
Je weiter die Zeit fortschritt, umso fröhlicher wurde die Gesellschaft. Bis in die Morgenstunden waren wir zusammen und haben gefeiert.

Willi hatte das Gasthaus so ausgewählt, dass unsere beiden Heimwege kurz waren. Er hatte an alles gedacht. Perfekte Organisation eben.
So standen wir, alle andere Kameraden waren bereits ausser Sicht, auf dem Nachhauseweg, um halb drei in der Früh bei der Telefonkabine am Helvetiaplatz und hielten Manöverkritik. Es war ein gelungener Anlass gewesen. Jeder der Anwesenden wurde noch einmal kurz charakterisiert und qualifiziert. Dann setzte Willi zur Zusammenfassung an:

  • Der Mensch ändert sich in seinem ganzen Leben kaum.
  • Das Treffen war ein Erfolg. Einen Erfolg soll man nicht wiederholen. Es wird dann kein Erfolg mehr sein.
  • Somit genügt eine Klassenzusammenkunft im Leben.
  • «Eine Nächste werde ich jedenfalls nicht mehr organisieren. Es war schön. Es war genug.»

Hans, sag nie, nie!  Du hast jetzt Dein Klassentreffen erlebt und überlebt. Das war es dann.
Irgendwie hatte ich doch das komische Gefühl, ich gehörte da nicht richtig dazu.

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Réunion de classe

S’il y a une chose dont j’ai toujours été convaincu, c’est celle-ci: je ne serais jamais invité à une réunion de classe. Certainement jamais! Pendant mes six premières années scolaires, je n’ai même jamais entendu cette expression. Je n’avais aucune idée de ce qu’étaient ces réunions. Et encore moins de la raison pour laquelle elles étaient tenues. Mon bon vieil ami Willi m’en a affranchi que bien plus tard. Dès lors, “réunion de classe” était pour moi synonyme de petit-bourgeois, de stationnaire et de conservateur. Pour des nomades scolaires comme mon frère et moi, cela ne signifiait pas grand-chose. Une fois, nous avions fait ensemble le calcul du nombre d’enseignants que nous avions survécus pendant toute la durée de l’enseignement obligatoire. C’étaient trente-cinq, dans trois langues différentes et dans quatre différents pays. On nous a enseigné les tables de multiplication, la lecture et l’écriture en néerlandais, en français et en allemand. La cause de ce multilinguisme babylonien venait de notre père. Il officiait comme hôtelier dans de nombreuses grandes villes d’Europe. Et la caravane, notre famille, changeait constamment de localités. Cela explique beaucoup de choses. Cela signifie que dans notre jeunesse, nous ne pouvions pas parler de sédantarisme. Ce nomadisme faisait partie de notre vie, nous, les enfants. Nous trouvions ça tout à fait normal. Nous appréciions même ce manque de racines. Avec l’âge, nous avions un vague sentiment d’être devenu apatride. En secret, nous avions commencé à souhaiter vivre une vie bourgeoise normale.  
Pour Robi et moi, ils n’existaient pas de camarades de classe, pas de communauté de classes et pas de bâtiments scolaires où nous étions connus. Nous étions toujours parachutés dans une classe hors du temps, où nous y passions un ou deux semestres avant de disparaitre à nouveau. Des camarades de classe, personne ne savait vraiment d’où nous venions ni où nous allions. Cela leur était d’ailleurs complètement égal. Notre scolarité primaire était quasi comparable à celle des enfants d’artistes de cirque. Comment aurions-nous jamais été invités à une réunion de classe?  

Mais les évènements se présenteront autrement.
J’avais rencontré Willi Theurer, mon vraiment vieil ami, à l’École Secondaire. C’est lui qui eut l’idée d’organiser une de ces réunions de classe. Nous nous connaissions déjà depuis 1947. À Lucerne, nous étions assis côte à côte devant le même pupitre. Là, nous nous avons copié mutuellement les devoirs. Cela crée des liens. Aujourd’hui, Willi est déjà décédé. Jusqu’à sa mort, nous ne nous sommes jamais perdus de vue.  
En 1967, il avait proposé d’organiser une réunion pour le vingtième jubilé. Et quand Willi organise quelque chose, alors l’événement aura lieu. Il n’y a pas de demi-mesure. Dans la facture de ses projets, il ferait passer tous les états-majors pour des séniles. Il est allé si loin dans les détails qu’il a même trouvé une répartition des places de l’époque. Il savait ainsi exactement qui était assis à quelle place à cette époque. Tous les camarades étaient arrivés ponctuellement pour la fête. Personne ne manquait.

La première partie de la réunion eut lieu dans l’ancienne salle de classe. La salle où deux professeurs se partageaient l’enseignement. Chacun des camarades était maintenant à nouveau assis à son ancienne place habituelle. Les deux enseignants étaient également présents. Bien vieillis, des messieurs à la retraite. À cette époque, les classes n’étaient strictement pas mixtes. Les filles allaient à l’école dans un autre bâtiment. Et c’est ainsi que des hommes matures d’aujourd’hui, ces garçons de l’époque, s’alignaient bien en rang dans leurs bancs respectifs. Les retrouvailles furent cordiales. C’était comme si nous venions juste de quitter l’école obligatoire. Rien n’avait changé. Les cancres et les finauds étaient toujours encore des personnages joyeux et rusés. Les premiers de classe et les arrivistes d’autrefois n’avaient rien perdu de leur pédanterie. Même les plus désagréables n’avaient rien fait d’autre que de vieillir. Même les enseignants n’avaient rien perdu de ce qui les avait rendus soit populaires, soit insupportables par le passé. Nous avions toujours apprécié les leçons du professeur de langues. Nous aimions aller en classe chez lui. Aujourd’hui, le jour de cette réunion, nous avions également compris ce qui le rendait si aimable. Il aimait son métier. Il aimait les écoliers, tous, les bons tout comme ceux qui étaient en guerre avec le Français. Il pouvait composer avec tout le monde. Et tout le monde a beaucoup appris de lui.  
L’autre par contre était un pinailleur. Toujours à la recherche d’erreurs. Il est resté une vraie plaie jusqu’à sa retraite. Aujourd’hui, 20 ans plus tard, rien, mais alors vraiment rien n’avait changé.
C’était la première expérience que j’avais ramené chez moi après cette réunion. Il est étonnant de constater à quel point les talents et les dons restent stables. Combien peu ils avaient changé dans le comportement de mes camarades. Les qualités personnelles qui s’étaient manifestées dans la jeunesse s’étaient transmises intactes dans la vie ultérieure. Le caractère, le tempérament et le comportement des gens ne semblaient pas vieillir.
Le deuxième phénomène me frappa plus tard, alors que nous étions attablés à l’auberge et que nous nous complaisions dans nos souvenirs. Même la répartition de la sympathie et de l’antipathie n’avait pas changé. Les mêmes groupes se réunirent comme ils l’avaient fait en 1947. Les plaisantins, les pédants, les sérieux comme les laborieux, s’étaient immédiatement retrouvés aux tables respectives, discutant avec ardeur.
Plus le temps passait et plus la société devenait joyeuse. Jusqu’à l’aube, nous étions ensemble et nous faisions la fête.  

Willi avait choisi l’auberge de manière telle que nos deux chemins de rentrée étaient courts. Il avait pensé à tout. Une organisation parfaite, donc.
Nous nous sommes retrouvés tous les deux, les autres camarades étaient déjà hors de vue, sur le chemin du retour, à deux heures et demie du matin près de la cabine téléphonique de l’Helvetiaplatz et nous avions commenté la manœuvre. C’était une fête réussie. Chacune des personnes présentes fut brièvement caractérisée et requalifiée, une fois de plus.  
Puis Willi commença le résumé :

  • L’homme ne change guère pendant toute sa vie.
  • La réunion fut un succès. Il ne faut pas répéter un succès. Il ne serait plus un succès.
  • Une seule réunion de classe par vie suffit donc.
  • “En tout cas, je n’en organiserai pas une autre. C’était bien. Et bien suffisant”.

Hans, ne dis jamais jamais! Tu as donc vécu et survécu ta réunion de classe. C’est tout. Fini, terminé.J’ai quand même eu l’étrange sentiment que d’une certaine manière, je n’y étais pas vraiment à ma place.

 

 

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