Intelligenz

Jakobus, ein guter Freund von mir, hatte einen vorbildlich erzogenen Hund. Ein Schäferhund mit Namen Rex. Rex war ein echter Kompagnon. Ein Hund, der zur Familie gehörte und sich dort sehr wohl fühlte. Als Jakobus noch lebte, erzählte er mir die nachfolgende Anekdote aus Rexens Leben.
Feierabend.
Jakobus liest die Zeitung. Rex liegt entspannt neben ihm auf der Matte. Nach einer Weile steht Rex langsam auf. Er reckt sich. Er dehnt sich und schlendert zur Türe.
Da diese an Stelle eines normalen Türgriffs einen runden Knauf hat, kann Rex den Ausgang nicht öffnen. Für ihn fehlt der Hebel, den er mit seiner Pfote hätte bedienen können. Stattdessen kratzt er leise, mit der rechten Vorderpfote an die Tür. Jakobus bemerkt es und legt die Zeitung beiseite. Er steht auf, geht zur Tür, will sie öffnen. Im selben Augenblick dreht sich Rex um. Zwei Sprünge und er sitzt auf Jakobus Lieblingssessel. Eben auch der Lieblingssessel von Rex! Obschon verboten, räkelt sich das gut erzogene Familienmitglied auf Jakobus’ Lesestuhl. Mit treuherzigem Blick schaut er zu seinem Meister hoch. Ein gutes Gewissen hat Rex nicht. Natürlich weiss er, dass er nicht auf Stühle sitzen und schon gar nicht in Betten liegen darf. Sein Platz ist auf der Matte oder im Hundekorb. Der Versuchung, auf Jakobusens Stuhl zu sitzen kann Rex nicht widerstehen. Da ist ihm jeder Trick recht, sein Ziel zu erreichen.
«Ein schlaues, intelligentes Tierchen!», werden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sagen. Stimmt nicht. Rex hat bloss ein bisschen Logik dazugelernt, um sich einen kleinen Vorteil zu verschaffen. Was da im Kopf von Rex abgelaufen ist ein gutes Beispiel für Künstliche Intelligenz, kurz KI.

Künstliche Intelligenz, KI, artificial intelligence; keine Zeitung, ohne dass diese Begriffe mindestens dreimal darin vorkommen Die Medien bombardieren uns täglich mit Neuigkeiten und Berichten über und mit künstlicher Intelligenz.
Wir lesen die unwahrscheinlichsten Geschichten. Geschichten von Robotern die immer selbständiger werden. In nicht allzu langer Zeit werden sie denken und handeln können wie wenn sie Menschen wären. Werden die Völker beherrschen und tyrannisieren. Lauter Geschichten die uns Angst und Bange machen sollten.
Was ist eigentlich künstliche Intelligenz wirklich? Ich stelle mir vor, dass es im Grunde nur eine Weiterentwicklung der Programmierkunst von Computern ist. Weiter nichts als die konsequente Verbesserung der digitalen Programmiertechnik.
Die Software wird immer besser. Bis anhin konnte der Ingenieur nur einen Job auf einmal programmieren. Zum Beispiel die Addition einer Reihe von Zahlen in einem Buchhaltungssystem. Oder die Suche eines bestimmten Produktes in einem Hochregellager. Ein Arbeitsgang pro Job, mehr nicht. Job ist im Fachjargon der Datenverarbeitern die Bezeichnung für eine Arbeitsaufgabe. Dank künstliche Intelligenz kann heute ein Job bei seiner Arbeit etwas dazu lernen. Ein Staubsauger-Roboter kann mehr als nur den Staub vom Boden entfernen. Er kann während er seine Arbeit erledigt lernen wo gewisse Hindernisse im Weg stehen. Diese wird er beim nächsten Durchgang umfahren. Maschinen können heute selbst dazulernen. Zurück zu Rex. Der Trick mit dem Kratzen an die Türe hat er selbst gelernt. Gelernt im Job eines gut erzogenen Hundes.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird die alte Handarbeit mit den verschiedensten Erfindungen vereinfacht, gar revolutioniert. Kühlschränke, Waschmaschinen, Staubsauger, elektrische Zahnbürsten, digitalen Uhren, massenhaft Autos, Fernseher und mobile Telefone schaffen eine völlig neue Arbeitswelt. Im Zuge dieses technischen Fortschritts kann ich mir vorstellen, dass auch in Zukunft, dank KI, das Leben in unserem Umfeld bequemer und weniger schweisstreibend wird. Die kommende Zeit wird weiterhin neue kreative Produkte, mit und ohne KI, hervorbringen die unserm Alltag viele Annehmlichkeiten besorgen werden.
KI ist also weiter nichts als eine logische Weiterentwicklung der Software im Fachgebiet Informatik. Künstliche Intelligenz ist eigentlich die falsche Bezeichnung dieses Vorganges. »Eigenständiges Dazulernen» kommt der Wahrheit näher. Der Ausdruck KI wurde einmal von der Forschung geschaffen. Dann von den Medien mit Liebe  aufgenommen, weil es so viel smarter tönte. Da steckt Intelligenz drin. Das gibt der Neuheit den besonderen Pfiff.
Bis jetzt war in der Entwicklung des Lebens nur der Mensch intelligent und jetzt wird es auch die Maschine. Ein Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte? Falsch.
Was ist eigentlich Intelligenz? Wir wissen es nicht. Wir wissen es genau so wenig wie wir nicht wissen was Schwerkraft oder Elektrizität ist. Wir wissen nur, wir können diese Kräfte anwenden. Die Psychologen ziehen sich elegant aus dieser Schlinge. Sie sagen «Intelligenz ist, was der Intelligenzquotient (IQ) misst.» Vor diesem Hintergrund ist die Bezeichnung «künstliche Intelligenz» auch hier falsch. Mit Intelligenz wie wir sie verstehen, hat KI nichts zu tun. Auf den Nenner gebracht ist KI eine komplizierte mathematische Formel. Eine Formel die einen Job lernfähig macht. Das alles wischt nicht hinweg, dass uns KI im Alltag verfolgt. KI ist in jedem Munde. KI werde den Menschen, diese Krone der Schöpfung, eines Tages links überholen. Tönt gut, ist aber zurzeit äusserst unwahrscheinlich. So einfach lässt sich unser Gehirn nicht nachbauen.
Es ist schwierig das menschliche Gehirn mit einem Computer zu vergleichen. Eine Maschine, ein Roboter, kann bei einer beschränkten Aufgabenstellung so etwas tun wie denken. Er ist aber nicht in der Lage über sein Bewusstsein nachzudenken. Hier befindet sich der Limes. Hier liegt die Grenze! Das Bewusstsein macht den Menschen. Den Menschen, ein Wesen mit Gefühlen und Emotionen.
Dank KI können Computer lernen. Und zwar riesig viel. Der KI-Anteil kann, wie beim Schachcomputer, sehr gross sein. Er kann besser Schachspielen als der beste Spieler der Welt. Aber er kann nur Schachspielen, nicht Halma, nicht Go, nicht Solitaire, nicht Eile mit Weile und nicht Domino.
Wir wissen zwar nicht was Intelligenz ist. Aber wir wissen, dass der Sitz der menschlichen Intelligenz im Gehirn ist. Die Bausteine des Gehirns sind die Neuronen. Jeder von uns trägt davon zirka 20 Milliarden [2 x 1010 ] mit sich herum. Die Neuronen sind mit den Synapsen verbunden. Das ergibt ein komplexes Netzwerk. Die sich daraus ergebende, unvorstellbar grosse Zahl von Kombinationen macht unser Hirn so leistungsfähig und so langsam. Computer sind auf diesem Gebiet wesentlich schneller. Das Gehirn hat dem gegenüber ein grosser Vorteil. Es funktioniert immer noch reibungslos, selbst wenn einzelne Nervenzellen verletzt sind oder vollständig ausfallen. Der Computer wäre dann schon längst abgestürzt. Aus diesem Grunde, so glaube ich, wird es nicht so rasch gelingen, menschliches Denken nachzubauen. Tröstlich! Die uns aufgeschwatzte Angst ist unbegründet.

Betrachten wir doch einmal diesen Problemkreis in grösseren Zeitabständen. Betrachten wir sie in den Zeitspannen der Evolution des Lebens.
Dreieinhalb Milliarden Jahre – solange dauerte es – bis sich aus den ersten primitiven Urformen des Lebens Säugetiere und Menschen entwickelten. Es ging 60 Millionen Jahre bis der Mensch, vom Primaten bis heute, seine Intelligenz entwickelt hatte und sich seines eigenen Ichs bewusst wurde. Dazu noch ein weiterer Gedanke. Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen der Menschheit datieren mit 3’000 Jahren vor Christus. Es handelt sich um Keilschrifttexte aus Mesopotamien. Die menschliche, schriftlich festgehaltene Geschichte, umfasst somit eine Epoche von 5’000 Jahren.
Der erste Mensch tauchte vor 2,5 Millionen Jahre in Afrika auf. Das ist eine Zeitspanne von 500-mal die Zeit, seit wir unsere ersten Aufzeichnungen machten. Das soll uns nur die Länge der Entwicklungsschritte der Menschheit vor Augen führen.
So gesehen wäre es vielleicht denkbar, dass sich die Programmierkunst über KI und weitere Entwicklungen so perfektioniert wird, dass ein denkender, sich selbst reproduzierender Nachfolger des Homo Sapiens entstehen könnte. Wie sich im Schöpfungsplan die Lebewesen Amöbe, Fische, Vögel, Säugetiere über eine sehr lange Zeitspanne gebildet haben, sollte es möglich sein, dass eine neue Spezies den Homo Sapiens ablösen würde. Maschinen, die sich selbst funktionsfähig kopieren, fortpflanzen könnten. Wesen die selbstbestimmend denken könnten und die etwas Ähnliches wie ein Bewusstsein hätten.

Bis es so weit wäre bräuchte es allerdings noch einen sehr grossen Zeitraum. Sicher viele Millionen Jahren. Dann allerdings könnte es sein, dass ein Gesellschaftsroboter an die Türe klopft und diese, im Gegensatz zu Rex, ohne Hilfe des Meisters, öffnen könnte.

 

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2 Gedanken zu „Intelligenz“

  1. Lieber Hans
    Vielen Dank für die interessanten Gedanken zur KI. Wir Menschen haben ja wirklich keine Ahnung was “Bewusstsein” ist. Deshalb können wir dieses auch nicht bauen.
    Der Computer mit Bewusstsein würde sicher seinen Schöpfer – den Menschen – wie “Sännetunschi” umbringen. Auch wenn es sehr lustig Wäre werden die Computer wohl nie in die Kirchen ströhmen um denMenschen anzubeten.
    Gruss Küde

  2. Lieber Hans

    Die Geschichte von Rex hat mir sehr gefallen. It sounded familiar weil mein Schwester einen Zwerg-
    schnauzer hatte, der polyglott war: Er verstand Englisch, Spanisch und Ungarisch. Und, trotzdem er
    genaustens wusste wo er liegen durfte, hatte er nicht immer eine reine Weste, konnte aber, wenn er
    ertappt wurde ganz unschuldig tun. Das mit der künstlichen Intelligenz ist für mich schwer verständlich weil wir bereits Roboter haben, die bestimmte Arbeiten ausführen und wenn das so weiter geht, werden die Menschen noch genug Arbeit haben? Und, dann die KI: Wo bleibt dann der menschliche Kontakt, die Empathie, die Freundschaft? Die Zukunft tönt kompliziert. Und trotzdem, Deine Blogs machen mir auch immer Freude und ich möchte sie nicht missen. Hans war auch begeistert. Ein herzliches Dankeschön von uns beiden. Ági und Hans
    Danke, Hans!

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