Der Advent, Weihnachten und Neujahr, die Festtagszeit ist vorbei. Das Ende der Weihnachtszeit wird am 6. Januar gefeiert. Der Tag, an dem die drei Weisen aus dem Morgenland, Caspar, Balthasar und Melchior, das Kind in der Krippe besuchten. Im Kirchenjahr «die Erscheinung des Herrn» genannt. Vorbei die feierliche Zeit. Das Leben B nimmt Platz. Für mich heisst das, alle Beleuchtungsketten im Garten und im Haus abstellen. Alle Stecker ziehen. Die bestehende Gartenbeleuchtung übernimmt es wieder, die dunklen Nächte der Winterzeit zu erhellen. Alles, was mit der Adventsdekoration zu tun hat, wird sorgfältig für den nächsten November verpackt und auf dem Estrich verstaut. Die Krippe mit Ochs und Esel. Die Weihnachtspyramide, liebevoll in Einzelteile zerlegt, verschwindet hinter den Büchergestellen in der Schreibwerkstatt.
Bei diesen Aufräumarbeiten überfällt mich jedes Jahr eine seltsame Stimmung. Ein Gemisch aus Wehmut und Zuversicht. Es sind die Gedanken an die Endlichkeit. Alles geht vorbei. Alles findet sein Ende. Das stimmt etwas traurig. Gäbe es da nicht die Traditionen. Sie sind besorgt, jedem Ende einen Neubeginn anzubieten.
Nicht nur die Wehmut beherrscht meine Gefühle. Auch die Zuversicht gegenüber den auf uns zukommenden, hoffentlich positiven Erlebnisse haben ihren Raum. An jedem Jahresende kommt die Festzeit zurück. Traditionen, vielfach belächelt, sind für mich gefühlsmässige Stützen. Es sind die wiederkehrenden Familienzusammenkünfte, die Geburtstage, das Eiertütschis, das erster August Feiern und der Advent. Alle diese Ereignisse sind Vitamine für meine Psyche.
Das ging mir dieses Jahr besonders spürbar durch den Kopf, als ich den Adventskranz in Händen hielt. Bei uns besteht er aus Eisen. Adventskränze sind bei mir wichtige Begleiter in der Vorweihnachtszeit. Ich kann so lange zurückdenken, wie ich will. Immer war der Adventskranz der Bote, der uns Woche vor Woche, Kerze vor Kerze zur Weihnachtskrippe am Heiligen Abend führte.
Als Jugendliche fabrizierten wir sie selbst aus Stroh, Tannenkries und Blumendraht. Alles brennbares Material, welches während des Dezembers völlig austrocknet. Vor Jahren las ich in der Zeitung, das denkmalgeschützte, hölzerne Pfarrhaus in Arth-Goldau sei abgebrannt. Der Pfarrer hatte vergessen, die Kerzen auszublasen, als er das Haus verliess.
Meine älteste Tochter war von dieser Agenturmeldung ganz besonders beeindruckt. Der Adventskranz als Brandbombe! Aber nicht bei uns!
Sie war damals im Strickhof in der Lehre und besuchte den Werkunterricht. Dort lernte sie mit Eisen und Aluminium umzugehen. Was im Kanton Schwyz passiert ist, sollte uns nicht widerfahren. Sie schmiedete einen Kranz aus Eisen und schenkte ihn mir. Meine Zerstreutheit war Grund vieler Anekdoten, die man sich in unserer Familie weitergab. Man könnte sich vorstellen, dass auch ich einmal das Haus verlassen würde, ohne die Kerzen zu löschen.
Heute beim Aufräumen, 45 Jahre später, wurde das alles aus meinem Erinnerungsvermögen zum Vorschein gebracht. Der unbrennbare Adventskranz hat Symbolcharakter. Ein sinnbildliches Fragment der Erinnerung.
Die Weihnachtszeit ist mit solchen Bildern reichlich bestückt. Die Festbeleuchtung in der Bahnhofstrasse. Kerzen, farbige Kugeln und künstliche Sterne. Weihnachten ist mit Attributen dieser Art dicht gefüllt. Es sind nicht nur die Schaufenster voller Geschenkideen Ende Dezember. Das ganze Jahr werden wir in regelmässigen Abständen mit ähnlichen Botschaften bedient. Knappe, auf den Punkt gebrachten Aphorismen. Konzise Zusammenfassungen für lange bestehende Traditionen. Eingekocht, konzentriert, die Essenz von Berichten einer bücherfüllenden Vergangenheit.
Der Stern auf der Kühlerhaube. Sie rüttelt die ganze Elegie des Motorenherstellers wach. Nicht nur der Konsum wird mit solchen Wahrzeichen vor Augen geführt. Auch jeder Lebensabschnitt hat seine Andeutung. Für das Lernen, das Studium stehen die Eule und die Athene. Für den Sport der Pokal. Für die Ferienreise das Flugzeug. Für das Lebensende der Totentanz mit dem Sensenmann.
Bevor ich das schmiedeeiserne Symbol der Erwartung in die Kiste lege, brauche ich eine Pause. Eine Pause und einen Kaffee. Neben der Tasse liegt der nackte Kranz. Keine Kerzen mehr. Keine farbigen Kugeln mehr. Ein Kranz. Sonst nichts. Wie oft sass ich abends im Dezember hier. Der Regel entsprechend brannte zuerst nur eine Kerze. Von Woche zu Woche wurden es zwei, drei und vier. Dieser schlichte Kranz ermahnte mich, bald kommt das Christkind. Beim letzten Schluck Kaffee überfällt mich eine wohlige Melancholie. Die friedliche Stimmung ist wieder da. Das waren schöne vorweihnachtliche Wochen. Wie stimmungsvoll war sie, diese Wartezeit. Die wärmenden Kerzen, das herrliche Gefühl der Geborgenheit.
Weg mit der Sentimentalität. Das Fest ist vorbei.
Auf!
Weitermachen mit dem Wegräumen. Keine Zeit mehr für Betrübnis. Die Tradition bleibt bestehen. Sie wird von Generation zu Generation weitergegeben.
Dieser schmiedeeiserne Kranz steht für die Zuversicht, für das Kommen des vor uns liegenden neuen Jahrs. Im November wird er wieder, mit Kerzen versehen, die Zeit bis Weihnachten anzeigen. Wünsche und Hoffnungen aufwecken.
Dann werde ich wieder, wie im letzten Dezember, ausgelöst durch sein Licht Erinnerungen aufleben lassen.
Der Adventskranz, mein Symbol der Zuversicht.
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